Wo andere schon längst die verdiente Rente genießen, ist Woody Allen noch immer am Werk und produziert mit eiserner Disziplin Filme. Seine jüngste Beschäftigungsmaßnahme „Irrational Man“ platziert Joaquin Phoenix als eigensinnigen, fatalistischen Philosophie-Professor an einer amerikanischen Universität. Dort geht er neben seinem liebsten Hobby (Trinken) auch seinem eigentlichen Beruf nach, in dem er junge, fruchtbare Geister mit den vielseitigen Abgründen seiner Seele belästigen kann. Eine vielversprechende Prämisse, wären da bloß nicht zwei widerwärtige Frauencharaktere, der klägliche Versuch einer existenziellen Übung und ein Drehbuch, das zu 80% mit Nonsens überquillt.
Philosophie im Taumel
So lange man nicht weiß, worauf Woody Allen in „Irrational Man“ hinaus will, macht der Film durchaus Spaß. Ein gut aufgelegter Joaquin Phoenix macht als sehr schlecht aufgelegter Abe auf eine zynische Art und Weise eine gute Figur. Stets mit einem Flachmann und Sartre’schen Parolen bewaffnet schleicht das Wrack eines Mannes über seinen neuen Campus und beobachtet das tägliche Geplänkel seiner Studenten. Hinter der papierdünnen Fassade des hoffnungslosen Trinkers versteckt sich ein schelmischer Professor, der es sichtlich genießt, das Bild des betrunkenen Philosophen aufrecht zu erhalten. Für weltliche Vergnügen ist er nicht zu haben, die forschen Andeutungen seiner Kollegin Rita (Parker Posey) lösen wenig in ihm aus. Lediglich die Aufmerksamkeit der jungen Studentin Jill (Emma Stone) scheint ihn aus der Reserve zu locken. Als die beiden beim gemeinsamen Essen eine Unterhaltung aufschnappen, fasst Abe den folgenschweren Entschluss, endlich ins Uhrwerk des Schicksals einzugreifen, statt bl0ß darüber zu reden.
Das Problem mit Allens frischester Ausscheidung sind nicht die ewig langen, leeren Konversationen, an die sich hartnäckige Kinogänger inzwischen gewöhnt haben. Es ist die gähnende Leere, die den Film schon bald heimsucht. Spätestens nachdem Abe seinen diabolischen Plan in die Tat umgesetzt hat, degeneriert „Irrational Man“ zu einem ziellosen Durcheinander, das zu leicht für ein Drama, zu lustlos für eine Komödie und zu irrelevant für eine philosophische Lektion ist. Der finale Sargnagel kommt in Form der zwei Frauencharaktere daher, die sich einzig über ihre unerklärliche Zuneigung zum zwielichtigen Hauptcharakter definieren. Dass weibliche Charaktere in Woody Allens Welt gerne als Antagonisten daherkommen, ist nicht neu. Selten jedoch wurden sie so schlecht geschrieben. „Irrational Woman“ wäre womöglich ein besserer Titel gewesen.
Als Sahnehäubchen in einem rätselhaften, dürftigen Drehbuch kommt das Ende daher, das jeglicher Logik entbehrt und den kritisch denkenden Zuschauer in einen wilden Kopfschüttel-Anfall schickt. Die Zeiten von Woody Allen als aufmerksamer Beobachter der menschlichen Beziehungen scheinen vorüber. Seine großen Klassiker wie „Annie Hall“ oder „Manhattan“ scheinen weiter weg, als sie sind. Selbst amüsante Träumereien wie „Midnight in Paris“ spielen in einer komplett anderen Liga. Klopft langsam die Senilität am Kopf des großen romantisch-neurotischen Filmemachers unserer Zeit?
3/10
Irrational Man (2015)
Woody Allen
Regie: Woody Allen
Buch: Woody Allen
Darsteller: Joaquin Phoenix, Emma Stone, Parker Posey
Kinostart DE: 12.11.2015
Kinostart US: 17.07.2015
Heimkinostart DE: –
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