Die Jahrhunderte alten Geschichten von William Shakespeare gehören zu den festen Pfeilern der Weltkultur und haben nicht nur die englische Sprache, sondern auch unser Verständnis für die Grundthemen der Menschlichkeit gefestigt. Über die Jahre haben viele Regisseure und Filmschaffende sich daran versucht, die klassischen Texte in mehr oder weniger modernen Settings zu adaptieren. „Macbeth“ ist eines der großen und überdauernden Beispiele, die legendäre Geschichte der Macbeths wurde von Ikonen wie Orson Welles, Akira Kurosawa oder Roman Polanski verarbeitet. Aus dem diesjährigen Wettbewerb des Filmfestivals in Cannes kommt die neueste Auflage von Justin Kurzel.
The Mad King of Scotland
Es ist unschwer zu erkennen, warum Shakespeares Werke so lange überdauert haben und noch immer einen großen Einfluss auf moderne Geschichtenerzähler haben. Sie setzen sich mit den fundamentalen Problemen und Sehnsüchten der Menschlichkeit auseinander und besitzen stets eine brisante Aktualität, egal ob sie in das Gewand eines modernen Settings (Baz Luhrmanns „Romeo und Julia“) oder an eine amerikanische High-School (Gil Jungers „10 Things I Hate About You“) versetzt werden.
Im Fall von Justin Kurzels „Macbeth“ entfernt sich die moderne Adaption nicht weit von ihren Wurzeln. In einer längst vergessenen Zeit weilt der Herzog Macbeth (Michael Fassbender) in der rauen Natur Schottlands und schlägt für seinen König Duncan (David Thewlis) erfolg- und blutreiche Schlachten. Als er nach getaner Arbeit voller Dreck und Blut einem Orakel aus vier Frauen begegnet, steht sein Leben Kopf. Ihm wird prophezeit, eines Tages die Königswürde Schottlands zu übernehmen. Seinem Freund und Wegbegleiter Banquo (Paddy Considine) wird ferner verraten, dass das Schicksal ihn als Vater einer königlichen Blutlinie vorsieht. Betrunken von der Idee und einer Sehnsucht nach Macht betört seine Angetraute (Marion Cotillard) ihn und bringt Macbeth dazu, seinen König zu ermorden und den Thron zu besteigen.
Die wundervolle Arbeit des Regisseurs Justin Kurzel und seines Kameramanns Adam Arkapaw erfüllt die schottischen Highlands mit einer greifbaren und sehr dichten, unheilvollen Atmosphäre. Jedes wundervoll arrangierte und beleuchtete Bild trägt dazu bei, dem traditionsreichen Stück Leben einzuhauchen. Unterstützt werden sie von der wundervollen, orchestralen Musik des Komponisten Jed Kurzel. Die Anfangs- und Endsequenzen stecken mit ihren fieberhaften Zeitlupen-Aufnahmen den Rahmen dieses audiovisuellen Meisterwerks ab, das der ikonischen Story mehr als gerecht wird.
Es scheint unnötig, den Status von Michael Fassbender und Marion Cotillard als zwei der besten Schauspieler ihrer Generation zu betonen. Beide schmeißen sich mit einer derartigen Intensität in die Rollen, die der Traum vieler Schauspieler sein dürften. Die Aussage mancher Kritiker, dass Fassbender für die Rolle des Macbeth geboren wurde, kann man nur unterstreichen. Der Deutsch-Ire spielt den Schotten sowohl als ehrbaren Ritter der Krone und als unrechtmäßiger König, der von den Würmern des Wahnsinns in seinem Kopf allmählich zerfressen wird. An seiner Seite entfacht Marion Cotillard als Lady Macbeth das für Shakespeare gewöhnliche Feuerwerk aus Intrige und ist eine definierende Präsenz des Films, die nicht nur in ihren Szenen vorherrscht. Neben den ausgezeichneten Hauptdarstellern ist auch Sean Harris als Macduff zu erwähnen. Überhaupt genießt der größtenteils britische Cast es sichtlich, Teil dieser wichtigen Geschichte zu sein und zahlt es seinem Regisseur mit durchweg starken Leistungen heim.
Der „Macbeth“ des Jahres 2015 ist ein lebendiger Beweis, dass die Geschichten von Shakespeare niemals altern werden. Jedenfalls nicht, solange sie von talentierten Filmschaffenden Umsetzungen erfahren, die die Themen von Machtgier und Betrug so wundervoll in die Neuzeit holen.
10/10
Macbeth (2015)
Betrug, Shakespeare’sche Tragödie, Epos, Drama
Regie: Justin Kurzel
Buch: Jacob Koskoff, Michael Lesslie, Todd Louiso
Darsteller: Michael Fassbender, Marion Cotillard, Sean Harris, Paddy Considine, David Thewlis, Jack Reynor
Kinostart DE: 29.10.2015
Kinostart US: ??.12.2015
Heimkinostart DE: –
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