Eine überaus lakonische Texteinblendung stimmt uns auf die kommenden 100 Minuten ein. Wir befinden uns in Australien, 10 Jahre nach dem Kollaps. Ursache des besagten Kollaps war höchstwahrscheinlich eine enorme Wirtschaftskrise, aber das Wie und Warum interessiert in „The Rover“ nicht. Das Einzige was zählt ist der Status Quo. Und der wird bereits in den ersten Minuten mehr als deutlich. Mit leerem Blick starrt Eric (Guy Pearce) etliche Sekunden auf die wüste Landschaft, ehe er aussteigt und sich in der postapokalyptischen Version einer Bar einfindet. Wie von Gottes (oder Teufels) Hand stolpert die Gruppe von Banditen um Henry (Scoot McNairy) in sein Leben und erleichtert ihn um sein letztes Besitztum, sein verstaubtes Auto. Wie wachgerüttelt macht Eric sich auf, um sein Gefährt zurückzuerobern. Auf seinem Weg trifft er auf Henrys Bruder Rey (Robert Pattinson) und bildet mit ihm eine wacklige Zweckgemeinschaft.
Aus dem Setting des desolaten Australien quetscht Regisseur David Michôd auch den letzten Tropfen Trostlosigkeit. In langen, intensiven Bildern baut er die Kulisse auf, vor der seine beiden Hauptfiguren ihrem simplen Zweck nachgehen. Noch viel eindringlicher als die Bildgestaltung ist die Musik, die das rohe Geschehen auf der Leinwand mit ächzenden und dissonanten Tönen untermalt. Ohne die Überstilisierung eines „Book of Eli“ oder der fast schon übertriebenen Aussichtslosigkeit eines „The Road“ bietet „The Rover“ eine authentische und entsprechend bedrückende Vision einer Zukunft, in der die menschliche Zivilisation auf den Nullpunkt zurückgesetzt wurde. Sämtliche Elemente des Films stehen im Dienste dieser Vision, von den abrupten Gewaltspitzen über die spärlichen Dialoge bis hin zu den verschmutzten Kostümen der Akteure, die stets von Fliegen und Aasgeiern bevölkert werden.
Im Zentrum von „The Rover“ steht Eric, der zunächst ohne eine Vergangenheit und sogar ohne einen Namen auskommt. Die Beraubung am Anfang des Films gibt seinem Leben nicht nur einen erneuten Zweck, sondern füllt den Charakter mit einer wilden und trotzdem stoischen Entschlossenheit, die zum Motor des Films wird. Gleichwohl ist Eric weit davon entfernt, ein klassischer Protagonist zu sein. Zu desolat ist die Perspektive, aus der er die zerstörte Welt wahrnimmt. Guy Pearce gibt hier ohne Zweifel eine der besten und denkwürdigsten Leistungen seiner Karriere ab. Trotzdem wird er von einem ebenso überraschenden wie ausgezeichneten Robert Pattinson an die Wand gespielt. Der zurück gebliebene und fast kindliche Rey ist das exakte Gegenstück zu Eric. Anders als sein schweigsamer Kumpane hat er die drückende Leere der neuen Welt weder in sich aufgenommen, noch hat er sie wirklich verstanden. Pattinson, auf dem in den Augen vieler Filmfans noch immer die Schuld der Teilnahme am „Twilight“-Franchise lastet, beweist nach zwei guten Auftritten in „Cosmopolis“ und „Maps to the Stars“ endgültig, dass er über eine große und bisher ungesehene Menge an Talent verfügt.
Regisseur und Drehbuchautor David Michôd navigiert seinen Film erfolgreich an den meisten Klischees und Konventionen vorbei. Der Ton von „The Rover“ lässt bereits am Anfang vermuten, dass dies eine Geschichte ohne Gewinner ist und zieht dieses Konzept diszipliniert durch. In den spärlichen Dialogszenen werden Gedankenansätze zu moralischen und ethischen Themen zwar angerissen, doch nehmen sie zu keiner Zeit den Verlauf der kompromisslosen Geschichte ein. Der offensichtliche Leitsatz des Films wird von Rey treffend bemerkt: „Nicht alles muss immer eine tiefere Bedeutung haben.“
David Michôds zweiter Langfilm nach „Animal Kingdom“ ist weder ein Actionfilm noch ein Drama, sondern ein waschechter Thriller, durch und durch. Selten wurde in den letzten Jahren ein postapokalyptisches Setting so überzeugend inszeniert. Kamera, Schnitt und vor allem Musik fügen sich zu einem unschönen und höchst effektiven und stimmigen Ganzen zusammen, die beiden Hauptdarsteller erwecken den tristen Hintergrund von „The Rover“ mit ihren herausragenden Leistungen schließlich zum Leben. Ein großartiger Film.
9/10
Nach den Vorführungen als Eröffnungsfilm des Fantasy Filmfests wird der düstere Endzeit-Thriller „The Rover“ am 31. Oktober 2014 auf DVD und Blu-Ray erscheinen.
The Rover
Krimi, Drama
Regie: David Michôd
Buch: David Michôd (Drehbuch), Joel Edgerton, David Michôd (Story)
Darsteller: Guy Pearce, Robert Pattinson, Scoot McNairy, Jamie Fallon, David Field, Scott Perry
Kinostart DE: ??.??.???? (deutschlandweite Screenings im August/September auf dem Fantasy Filmfest)
Heimkinostart DE: 31.10.2014 (DVD und Blu-Ray)
Kinostart US: 13.06.2014 (limited release)
1 Kommentar zu “The Rover”