Vom Kölner Label Bildstörung erreicht uns ein weiterer Beitrag zur Reihe der obskuren, bizarren und zumeist sehr lohnenswerten Genreperlen des globalen Kinos. Im Fall von „Das Biest“ (oder „La Bête“) sogar ein besonders skandalträchtiges Exemplar, das lange im kinematischen Exil leben musste. Wir haben uns die frisch veröffentlichte Blu-Ray angesehen und sie unter die Lupe genommen!
Zum Film
Schon bevor die ersten Worte gesprochen werden, zeigt der polnische Filmemacher Walerian Borowczyk Eier. Und das sowohl im übertragenen als auch im buchstäblichen Sinn. Die Eröffnung seines Films „La Bête“ übernimmt ein Hengst, der von einigen Stallburschen nur knapp davon abgehalten wird, eine nahestehende Stute zu begatten. Was wie ein unnötig obszöner und provokativer Beginn scheint, ist natürlich mehr als das. Der schließlich vollzogene Geschlechtsakt der beiden Vierbeiner liefert einen der ersten Hinweise, die später helfen werden, dieses bizarre Biest von Film zu entschlüsseln.
Aus diesem sehr unorthodoxen Start katapultiert der Filmemacher seine Rezipienten in das rustikal charmante Ambiente eines Châteaus im paradiesischen Frankreich. Umringt von wilder Natur fristet die Familie de l’Esperance ein tristes Dasein, denn die Mittel werden langsam aber sicher knapp. Ein Licht fällt vom Himmel, als die englische Adelsdame Lucy Broadhurst (Lisbeth Hummel) sich einverstanden erklärt, den Sohn des Hauses, Mathurin de l’Esperance (Pierre Benedetti) zu ehelichen. Um die Trauung seines Sohnes (und die finanzielle Sicherheit seiner Blutlinie) zu gewährleisten, empfängt Vater Pierre (Guy Tréjan) seine zukünftige Schwiegertochter und deren Tante. Organisatorische Probleme sind die kleinste Gefahr der bevorstehenden Zeremonie, denn die Wälder rings um das Château werden von einer mythischen Bestie heimgesucht, der 200 Jahre zuvor bereits ein Mitglied des Klans zum Opfer gefallen ist.
Anfangs vermag man Borowczyks fantastisch-sexuelles Märchen noch nicht so recht einschätzen. Auf die expliziten Nahaufnahmen des animalischen Aktes folgt der Schnitt zur adretten, französischen Familie. Die gewaltigen Schwankungen im Ton des Films hält „Das Biest“ aufrecht, bis es schließlich in einer so berühmten wie berüchtigten Szene mündet, in der die Vorfahrin des de l’Esperance-Klans auf das sagenumwobene Monster trifft. In einer vermeintlich modernen Gesellschaft wie der Unseren, in der Pornographie, Sexualität und verwandte Themen beinahe allgegenwärtig sind, ist der Zündstoff des Films nicht gut gealtert. Die bizarr-explizite Szene, die sich in einigen Bildern dieses Artikels wiederfindet, inspiriert dieser Tage eher Verwirrung als Empörung.
Aber auch ohne den damaligen Aufschrei funktioniert „Das Biest“. Der Grund dafür liegt nicht in der stellenweise aufblitzenden Erotik des Films, sondern in seinem Unterbau, der die menschliche Sexualität und vor allem den so genannten Verlust der Unschuld unter mehrere Lupen nimmt. Anders als ein „Salò“ (der übrigens aus dem selben Jahr stammt) nutzt der Filmemacher Sexualität nicht als kürzesten Weg, um seinen Zuschauern an die Nieren zu gehen. Auch kann man dem Film keine Schlüpfrigkeit oder sonstige niedere Motive unterstellen. Vielmehr ist Walerian Borowczyks „Skandalfilm“ ein bemerkenswertes, wenn auch rätselhaftes Stück, das den menschlichen Trieb, Hemmungen, Gelüste und Befriedigung untersucht. Nur eben eins, das in erster Linie von Erwachsenen zu genießen ist.
7/10
Zur Blu-Ray
Genau wie „Possession“ ist „Die Bestie“ bereits ein älteres Pferd im Stall von Bildstörung und wurde nach einer DVD-Veröffentlichung nun auf HD hochgestuft. Wie jedes Label, das sich über ihre Veröffentlichungen Gedanken macht, spendiert Bildstörung auch hier ein Wendecover, das nicht nur die obszöne FSK-Kennzeichnung entfernt, sondern auch den durchaus amüsanten Hinweis „Wir raten ab.“ der Katholischen Filmkritik. Des Weiteren erscheint die Budget-Ausgabe der Blu-Ray (die uns vorlag) in einer schwarzen Hülle.
Wie es für Bildstörung üblich ist, kommt auch „Die Bestie“ in mehreren Fassungen auf den deutschen Markt. Die Budget-Fassung beschränkt sich auf den Film in deutschem und französischem Ton in LPCM Mono sowie deutschen Untertiteln. Für die limitierte Sonderfassung griff man etwas tiefer in die Trickkiste und fand zu dem Film, der über zwei Jahrzehnte auf dem deutschen Index stand, eine ganze Reihe an Bonusmaterial, das einen willkommenen Blick hinter die Kulissen des Films bietet:
- Borowczyks Wahn (Kurzdoku)
- Feature mit dem Regisseur
- Interview mit Kameramann Noel Very
- Geschnittene Szenen (ca. 15 Min. Material)
- Blick hinter die Kulissen
- Daniel Bird bei Mondo Bizarr (Einführung zu Film und Filmemacher)
- Bildergalerie
- Booklet mit Interviews, Essays und Pressetexten
Das Bonusmaterial ist deutsch untertitelt.
Die technische Präsentation des Films ist überraschend gut. Sowohl die Synchronisation als auch der Originalton werden in unkomprimiertem Mono abgeliefert, um sich der Intention des Filmemachers möglichst gut anzunähern. Wirklich überraschend ist allerdings der Bildtransfer, der für einen recht obskuren Film dieses Alters sehr überzeugend ist. Die Wälder rund ums Anwesen der de l’Esperances leuchten in einem intensiven Grün, das Bild ist größtenteils frei von Artefakten, Verschmutzungen und Alterserscheinungen. Eine respektable Leistung für einen Film, der jahrelang verschrien war und beinahe in den „Special Interest“-Bereich fällt.
Die Jungs von Bildstörung beweisen mit der deutschen Blu-Ray-Veröffentlichung von „Das Biest“, dass sie mit internationalen Kult-Labels wie Arrow oder Eureka Schritt halten können. Das als Schmuddelfilmchen missverstandene Erotik-Fantasy-Horror-Drama von Walerian Borowczyk erfährt auch in Deutschland die liebe- und respektvolle Behandlung, die es verdient hat.
Die beiden Blu-Ray-Versionen des Films sind seit dem 22. Mai 2015 erhältlich. Für Fans des Films und Freunde von Pferdegenitalien ist die limitierte Edition unumgänglich. Die Kundenrezensionen bei Amazon dienen bis zur Ankunft der Blu-Ray als Unterhaltung.
La Bête (1975)
Das Biest
Fantasy, Erotik, Horror
Regie: Walerian Borowczyk
Buch: Walerian Borowczyk
Darsteller: Sirpa Lane, Lisbeth Hummel, Elisabeth Kaza, Pierre Benedetti, Guy Tréjan
Kinostart DE: 06.02.1981 (BRD)
Kinostart US: 15.04.1977
Blu-Ray-Start DE: 22.05.2015
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Die Rechte an den verwendeten Grafiken in diesem Artikel liegen bei BILDSTÖRUNG
Die Rechte an den Fotos der Blu-Ray liegen bei Timo Löhndorf