Wer im Kino gerne Spione über die Leinwand hetzen sieht, hat ein regelrechtes Wonnejahr erwischt. Neben einem neuen Mission Impossible, einem neuen Bond und Guy Ritchies „The Man from U.N.C.L.E.“ fehlt allerdings eine nüchterne Auseinandersetzung mit den Geheimdienst-Marionetten. Gleichermaßen ist in der Reihe kaum ein geerdetes Drama vorhanden, das über die thematischen und narrativen Grenzen des Sommer-Blockbuster-Kinos hinausreicht. Aber keine Sorge, das altehrwürdige Team Spielberg-Hanks ist zurück und rundet den Kreis ab. In „Bridge of Spies“ schlägt das Duo sein Zelt zwischen den 50ern und 60ern auf, als der Kalte Krieg die Welt mehrmals an den Rand von Zerstörung und Verzweiflung trieb. Das zweieinhalbstündige Drama über einen amerikanischen Anwalt und den russischen Spion, den es zu verteidigen gilt, fällt dabei überraschend gehaltvoll, unterhaltsam und kurzweilig aus.
Gefangen zwischen Politik und Humanismus
Als ein Filmemacher, der uns Einblicke in fast jedes Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts gewährt hat, ist es für Steven Spielberg zu diesem Zeitpunkt Routine, sein Publikum zu mehr oder weniger nostalgischer Verzückung zu inspirieren. Wie selbstverständlich fängt er die flüchtige Stimmung in den USA der späten 50er ein. Dort pflegt der Anwalt Jim Donovan (Tom Hanks) ein zufriedenes Dasein als Anwalt für Versicherungsfälle. Natürlich nimmt sein Vaterland ihn schon bald in die Pflicht und setzt den Advokat, der bis dato ein hohes Ansehen genießt, auf einen äußerst heiklen Fall an. Der russische Spion Rudolf Abel (Mark Rylance) wurde in New York gefasst und soll mit einer fairen Verhandlung bedacht werden. Ohne sich für die schattigen Machenschaften der CIA und Co. einzulassen, geht Donovan also gewissenhaft seinem Job nach und setzt sich für den abgebrühten Russen ein. Ganz nebenbei gelingt es Rylance, Hanks und Spielberg auch, eine subtile Beziehung zwischen beiden Männern aufzubauen, die auf gegenseitigem Respekt beruht. Als Unterhändler zwischen zwei verkrachten, nuklearen Supermächten stellt Hanks‘ Figur, die auf einer wahren Person beruht, den Schlüssel und gleichermaßen das ruhige Zentrum in einer chaotischen Welt dar.
Die Agenda von „Bridge of Spies“ endet jedoch nicht mit dem Kampf zwischen den USA und Rudolf Abel. Der Film besteht aus zwei Teilen, die verschiedene Aspekte des gigantischen Konfliktes beleuchten. Im ersten Teil, der sich in New York abspielt, mag man den Film beinahe als politische Satire identifizieren, die ein ungnädiges Licht auf das Verhalten der USA wirft. Eine Szene, in der Schulkinder mit Kriegspropaganda versorgt werden und anschließend ihr Haus auf nuklearen Krieg vorbereiten, macht dies deutlich. Ebenso bedenklich sind die Anflüge von Zorn und Lynch-Justiz, mit denen Donovan und seine Familie sich konfrontiert sehen.
Nach der Hälfte wechselt „Bridge of Spies“ den Gang und schiebt den Fokus noch weiter auf die politischen Begebenheiten der Ära. Ein gewohnt cleverer Schachzug Spielbergs zeigt mit dem Mauerbau die absolute Trennung zwischen Ost- und West-Berlin, wo sich der Rest des Films abspielen wird. An diesem Brennpunkt, einem der brisantesten des letzten Jahrhunderts, findet Hanks‘ Donovan sich wieder, um einen Austausch zwischen amerikanischen und russischen Gefangenen zu ermöglichen. Alle Elemente der ersten Hälfte sind hier ebenfalls vorhanden und werden sogar weiter verstärkt. Donovans erster Spaziergang durch ein unterkühltes, unfreundliches Ost-Berlin unterstreicht die missliche Lage, in der sich der Anwalt trotz aller Gelassenheit befindet. Nach einem Einblick in die kapitalistische Seite des kampflosen Konfliktes nimmt Spielberg sein Publikum mit Richtung Osten und schildert die inneren und äußeren Spannungen, die zwischen DDR und Sowjetunion herrschten. Humoristische Aspekte sind auch hier vorhanden, nicht nur in Hanks‘ stets flottem Mundwerk, sondern auch in den Geheimdienst-Spielereien von KGB und CIA, die oft amüsant inszeniert werden. Hier spürt man auch am ehesten den Pinselstrich der Coen-Brüder, die am Drehbuch gearbeitet haben.
Obwohl Spielberg und Hanks bereits alte Hasen im Sumpf Hollywoods sind, beweisen beide in „Bridge of Spies“ eine großartige Form. Hanks überzeugt hier zwar nicht mit dramatischen Höchstleistungen, erfüllt als charismatischer, lässiger Unterhändler, der auf der Mauer geradezu balanciert, seinen Zweck allerdings perfekt. Spielbergs Inszenierung dieser wahren Begebenheit weist all die üblichen Qualitäten des Filmemachers auf. Er erzählt zunächst eine kleine und später eine große Geschichte, um sich der moralischen und politischen Komplexität seines Themas anzunähern. Mit dem geteilten Berlin kreiert er außerdem eine authentische Kulisse und nutzt sowohl humorvolle als auch spannende Elemente, um die überlange Laufzeit seines Films wie im Flug vergehen zu lassen. Unterhaltsamer als eine John le Carré-Verfilmung und relevanter als ein teurer Agenten-Blockbuster fügt „Bridge of Spies“ sich perfekt ins Gefüge der Spionage-Filme ein.
8,5/10
Bridge of Spies (2015)
Der Unterhändler
Spionage, Drama
Regie: Steven Spielberg
Buch: Matt Charman, Ethan Coen, Joel Coen
Darsteller: Tom Hanks, Mark Rylance, Alan Alda, Amy Ryan, Austin Stowell, Jesse Plemons
Kinostart DE: 26.11.2015
Kinostart US: 16.10.2015
Heimkinostart DE: –
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