Kaum eines der klassischen Filmmonster hat in der modernen Popkultur derartig viele Höhen und Tiefen erlebt wie der Vampir. Durch unzählige Genres wurde er mit variiender Qualität gezogen, darunter kultige 80er-Horrorkomödie („The Lost Boys“), epische Romanze („Interview with the Vampire: The Vampire Chronicles“) und actionreiche Comic-Verfilmung, aus einer Zeit, aus der Comic-Verfilmungen noch für Erwachsene gemacht wurden („Blade“). Spätestens als vor einigen Jahren die narrativen Fehlgeburten der „Twilight“-Reihe Bücherregale und Kinosäle mit einem unverschämten und tragischen Erfolg besetzten, wurde sich der gemeine Zuschauer über 14 Jahren zweierlei Dingen bewusst: Dass wir von Vampiren endgültig die Schnauze voll haben und dass „Twilight“ eigenhändig eines der essentiellsten Monster der Popkultur unwiederbringlich getötet hat.
Zuletzt bekamen die schwer rufgeschädigten Blutsauger wieder etwas Glaubwürdigkeit, was vor allem Jim Jarmuschs „Only Lovers Left Alive“ geschuldet ist, der die Themen der Unsterblichkeit und Vergänglichkeit endlich wieder relevant machte. Jetzt stürmt ausgerechnet aus dem fernen Neuseeland ein neuer Vampir-Film die internationalen Leinwände. Im Rahmen des Fantasy Filmfests 2014 wird „What We Do in the Shadows“ (oder zu deutsch „5 Zimmer Küche Sarg“) als Centerpiece, also quasi Hauptattraktion gezeigt.
Die Zutaten sind recht simpel. Es geht eine Gruppe von vier Vampiren, die sich in Wellington eine Villa teilen und eine WG bilden. Im Stil einer Mockumentary wird das Quartett einige Monate lang begleitet und offenbart ihren Alltag, der sich abgesehen von den gelegentlichen Blutexzessen kaum von dem der Sterblichen unterscheidet.
Ich muss zugeben, dass ich nicht mit 100% Enthusiasmus in die Sonntagabend-Vorführung im Berliner CinemaxX am Potsdamer Platz gegangen bin. Trotz der durchweg positiven Stimmen, die „What We Do in the Shadows“ auf seinem weltweiten Festival-Zyklus gesammelt hat, lag die Befürchtung nahe, dass es sich hierbei bloß um eine verspätete Bemühung handelt, die Popularität der Vampire zu Geld zu machen. Ganz zu schweigen von der eingangs erwähnten Übersättigung des Themas.
Ich habe mich vermutlich so in einem Film geirrt. In den ersten zwei Einstellungen zeigen die neuseeländischen Regisseure, Autoren und Hauptdarsteller Jemaine Clement und Taika Waititi bereits, dass sie es ernst meinen. Oder eben nicht.
Die knapp 90 Minuten des Films laufen fast über mit einem Fluss aus originellen Ideen und cleveren Witzen, der sogar über den Abspann hinausgeht. Die Filmemacher tauchen kopfüber in den Vampirmythos ein und lassen kaum ein Auge trocken. Die Rahmenhandlung des Films wird von einem jährlichen Ball abgesteckt, auf dem sich die lokale Gesellschaft aus Monstern trifft und austauscht. Auf dem Weg dahin geschehen einige unvorhergesehene Dinge in der WG. Ein frisch vampirisierter Neuzugang mischt die Bude gehörig auf und sorgt zwischen den Bewohnern, die zwischen 8000 und knapp 200 Lenzen zählen, für Zündstoff.
Von einer hastigen und lieblosen Abhandlung ist dabei nicht die Spur. Clement und Waititi beweisen einen großen Respekt und vor allem eine große Liebe zum historischen und geschundenen Vampirmythos. Diese verknüpfen sie geschickt mit modernen Elementen, wie dem WG-typischen Konflikt über Geschirrdienst oder den gemeinsamen nächtlichen Ausflügen durch die Bars von Wellington. Natürlich entstehen auch hier Probleme, unter Anderem die Auswahl eines geeigneten Outfits, wenn man kein Spiegelbild hat. Sein volles Potential entfaltet der Film bei nächtlichen Auseinandersetzungen der Vampire mit einer Clique aus Blutfeinden, mehr sei nicht verraten.
In subtilen Untertönen reißt die Komödie sogar ernsthafte Themen an, wenn es um die Bürde der Unsterblichkeit oder um Lieb- und Freundschaften zwischen Blutsaugern und Sterblichen geht. Zusammen mit dem gelegentlichen Blutbad bildet „What We Do in the Shadows“ ein absolut rundes Paket, das konstant auf allen Zylindern feuert. Ein besonderes Eingeständnis an Vampirfans und Filmhistoriker ist der von Nosferatu inspirierte Petyr, der über die Dauer des Films selbstverständlich stumm bleibt.
Selten weist der gut gewählte Mockumentary-Stil die eine oder andere Schwäche auf, wenn er seine dokumentarische Perspektive aus Gründen der Dramaturgie kurzzeitig verlässt. Doch dies tut der minütlichen Lieferung des komödiantischen Goldes keinerlei Abbruch. Die volle Punktzahl verspielt der Film lediglich durch eine kleine Handvoll Gags, die zwischen ihren Geschwistern etwas simpel wirken. Wenn ein Software-Analytiker über seinen Job erzählt und spontan als Jungfrau identifiziert wird, lädt das eher zu einem müden Stöhnen als zu Gelächter ein.
Nichtsdestotrotz ist der neuseeländische Film eine bedingungslose Empfehlung für alle, die mit dem Mythos Vampir auch nur das Geringste anfangen können. Im Herbst eines ohnehin starken Filmjahres 2014 gebe ich der urkomischen Blutsauger-Geschichte außerdem die vorläufige Krone als beste Komödie des Jahres.
„What We Do in the Shadows“ ist einer der wenigen Filme des diesjährigen Fantasy Filmfests, die hierzulande bereits einen Starttermin haben. Passend zum Halloween-Wochenende wird der Film am 30. Oktober 2014 in den deutschen Kinos anlaufen und hoffentlich den Erfolg einheimsen, der ihm gebührt.
9,5/10
What We Do in the Shadows
5 Zimmer Küche Sarg
Komödie
Regie: Jemaine Clement, Taika Waititi
Buch: Jemaine Clement, Taika Waititi
Darsteller: Jemaine Clement, Taika Waititi, Jonathan Brugh, Stuart Rutherford, Ben Fransham
Kinostart DE: 30.10.2014
Kinostart US: ??.??.????
ich habe den Film im Rahmen der diesjährigen Berlinale gesehen und obwohl icht nicht unbedingt ein Fan von Grusel- und Blutspritzfilmen bin, habe ich mich köstlich amüsiert.
Eine ausführliche Kritik dazu gibt’s hier: http://filmkompass.wordpress.com/2014/03/01/what-we-do-in-the-shadows-o-2014/