Olympia-Gewinner Mark Schultz (Channing Tatum) steht vor einer Halle voller Grundschüler und hält einen Vortrag über den Sport des Ringens, die olympischen Spiele und warum er macht, was er macht. Wortlos hält er den Kindern seine Medaille entgegen. Erzählen muss er nichts, das Edelmetall spricht laut genug. Es steht für weltweiten Ruhm, Anerkennung und den Beweis, dass sein Gewinner zumindest temporär der beste Athlet seiner Klasse war. In diesem Bild spiegelt sich der Kern von „Foxcatcher“ wieder, es ist Synonym für die tragische Geschichte der Jagd nach Anerkennung, egal was sie kosten möge.Das sportliche Kräftemessen, über das seine Charaktere sich definieren, wird dabei zu wenig mehr als einer Maske für die zerstörten Seelen der Männer. Mark, der Zeit seines Lebens im Schatten seines älteren Bruders und ebenfalls Goldmedaillisten Dave (Mark Ruffalo) stand, bekommt einen Anruf von John DuPont (Steve Carell), dem jüngsten Mitglied einer selbsternannten Dynastie aus wohlhabenden und einflussreichen Amerikanern. DuPont möchte Mark in seinen Kader aus jungen, vielversprechenden Athleten integrieren und das Team in einem Glanz erstrahlen lassen, der der großartigen amerikanischen Nation entspricht.
So herzhaft wie Carell seine pathetischen Patriotie-Floskeln singt, so irrelevant sind sie schließlich. Die wirklichen Intention von DuPonts Charakter sind um Einiges intimer und Carell transportiert sie in feinen mimischen Details und einer einzelnen, herausragenden Dialogszene. Die große Überraschung des Films ist Channing Tatum. Der Darsteller, der noch vor wenigen Jahren nur als Gesicht und physikalische Präsenz bekannt war, nimmt sich seiner ersten schwierigen Charakterrolle an und seine Performance trifft jeden Ton. Selbst in körperbetonten Szenen, allen voran ein Sparrings-Match mit seinem Bruder, setzt er seine hünenhafte Erscheinung ein, um dem Zuschauer ein Bild von Mark Schultz nahezubringen. Besagter Trainingskampf ist die erste von vielen Szenen, in denen der ruhige aber sehr spannend inszenierte „Foxcatcher“ seine Trümpfe ausspielt.
Obwohl Steve Carell keineswegs neu im dramatischen Fach ist (Little Miss Sunshine), erreicht er hier eine komplett neue Ebene. Zwar ist sein Gesicht durch starkes Makeup unkenntlich gemacht, wirklich fremd wird er aber erst durch die Natur des John DuPont, den er mit einer beunruhigenden und beängstigenden Intensität verkörpert.
„Foxcatcher“ wird bevölkert von sperrigen und geradezu unsympathischen Charakteren, was dem Film zusammen mit seiner behäbigen, schwermütigen Inszenierung einige Anlaufschwierigkeiten beschert und die gelegentliche Länge aufkommen lässt. Überflüssig ist hier trotzdem keine Sekunde, denn Bennett Miller packt sie randvoll mit wichtigen Details und Hintergründen zu seinen drei Figuren. Und spätestens wenn sich im dritten Akt des Films die ersten Abgründe in der Beziehung zwischen John und Mark auftun, merkt man, wie wichtig die vorangehende Charakterisierung wirklich war.
„Foxcatcher“ ist bei Weitem kein einfacher Film, aber dafür ein extrem lohnenswerter. Bennett Miller, der vollkommen zurecht in diesem Jahr in Cannes für seine Regiearbeit ausgezeichnet wurde, treibt seine Schauspieler zu ungeahnten Leistungen und erzählt ein Drama, das um sperrige Themen wie Egomanie, Größenwahn, Geisteskrankheit und Korruption kreist, ohne dabei die prekäre Entwicklung seines Trios außer Acht zu lassen. Channing Tatum und vor allem Steve Carell liefern die jeweils besten Leistungen ihrer Karriere und zwei der besten Darbietungen des Jahres. Außerhalb der Arbeit mit seinen Schauspielern beweist Miller ebenfalls eine kompetente Hand. Die winterlich-unterkühlte Kulisse und der sehr spärliche Einsatz von Filmmusik verstärken die triste Stimmung des Films und das desolate Anwesen des John DuPont unterstreicht den Eindruck des vereinsamten Mannes, der auf haushohen, instabilen Schultern steht und vergeblich nach dem emotionalen Bezugspunkt sucht, den wir alle brauchen.
8,5/10
Foxcatcher
Drama
Regie: Bennett Miller
Buch: E. Max Frye, Dan Futterman
Darsteller: Channing Tatum, Steve Carell, Mark Ruffalo
Kinostart DE: 29.01.2015
Kinostart US: 14.11.2014