Für die beiden brasilianischen Straßenkinder Raphael (Rickson Teves) und Gardo (Luis Edoardo) ist der Alltag plötzlich ein ganzes Stück spannender geworden. Bei ihrem täglichen Streifzug durch die gigantische Müllhalde ihres Slums stoßen die Jungs auf eine Brieftasche, die neben Geld kryptische Notizen und rätselhafte Gegenstände enthält. Natürlich ist an der Sache etwas gehörig faul, denn kurz nach der Entdeckung steht Polizist Frederico (Selton Mello) auf der Matte und erkundigt sich nach dem anscheinend heiß begehrten Paket. Zusammen mit ihrem Freund Rato (Gabriel Weinstein) begeben sich Raphael und Gardo auf eine Schnitzeljagd und setzen das Puzzle der Brieftasche Stück für Stück zusammen.

Für seine ersten drei Spielfilme wurde der britische Regisseur Stephen Daldry jeweils mit einer Oscar-Nominierung bedacht. Auch in „Trash“ ist eine starke Regieleistung allgegenwärtig. Von den ersten Momenten an, in denen Journalist José Angelo (Wagner Moura) von einem Sturmtrupp verfolgt wird und seine Brieftasche notdürftig entsorgt, baut Daldry einen flotten und kompetenten Film zusammen. Im Mittelpunkt stehen natürlich die drei kleinen Slum-Bewohner und ihre jugendliche Neugier, die sie auf eine Achterbahnfahrt durch die Stufen der politischen Korruption schickt. Die amerikanischen Stars Rooney Mara und Martin Sheen, deren Präsenz in Form von Namen auf dem Filmposter auffälliger ist als im Film selbst, werden zum Beiwerk, denn sein Trio aus Jungschauspielern hat Daldry bestens im Griff und kitzelt respektable Leistungen aus ihnen heraus.

So aufregend die Reise von Raphael und Co. ist, so rätselhaft sind einige der Entscheidungen, die von den Filmemachern getroffen wurden. Der stark schwankende Ton des Films, der zwischen Folterszenen und jugendlichem Frohlocken spielt, wirft die Frage auf, für welches Zielpublikum „Trash“ gedacht ist. Der ausgelassene, kindliche Abenteuerfilm spielt sich vor dem Hintergrund der tiefgreifenden und brutalen Korruption ab, die in Ländern wie Brasilien augenscheinlich herrscht. Diese beiden Aspekte stehen im permanenten Clinch und machen einen Zugang zum Film leider sehr schwer.
Überraschende Schwächen machen sich auch im Drehbuch von Richard Curtis bemerkbar, das die exotische Umgebung seiner Charaktere kaum nutzt und ebenso gut in Europa oder den USA spielen könnte. Einen Tiefpunkt erreicht Curtis beim Charakter des Polizisten Frederico, der nicht über eine bedrohliche Präsenz hinausgeht. Ohne mit der Wimper zu zucken verfolgt und misshandelt der eindimensionale Cop die drei Kinder. Hier wird reichlich Potential verschenkt, denn anhand von Frederico hätte untersucht werden können, wie sich die Korruption der Reichen und Mächtigen auf diejenigen auswirkt, die die Drecksarbeit erledigen müssen.

„Trash“ ist ein ungewöhnlicher Film, und das nicht im positiven Sinne. Die britische Produktion, die extra für ihre Dreharbeiten ein Mülhalden-Set in Brasilien errichtete, zeichnet sich vor allem durch Widersprüche aus. Die unbeschwerten, kindlichen Protagonisten passen nicht zu ihren gewalttätigen, erwachsenen Gegenpolen. Die Präsenz der brasilianischen Schauspieler beißt sich mit den sinnfreien Subplots um Rooney Mara und Martin Sheen. Die hochkarätige europäische Produktion legt einen Schleier über Themen wie Armut, Verbrechen und Korruption und degradiert sie zu bloßer Dekoration, ohne näher auf sie einzugehen. Daran können weder die kompetente Regie von Stephen Daldry noch die starken Leistungen der jungen und alten Schauspieler rütteln.
4/10
Trash
Drama, Krimi
Regie: Stephen Daldry
Buch: Richard Curtis (Drehbuch), Andy Mulligan (Buchvorlage), Felipe Braga (Sonstiges)
Darsteller: Rickson Teves, Eduardo Luis, Gabriel Weinstein, Martin Sheen, Rooney Mara, Selton Mello, Wagner Moura
Kinostart DE: 19.02.2015
Kinostart US: ??.??.????