Während sich Jonah Hill mit gewählten Projekten wie „Die Kunst zu gewinnen – Moneyball“ oder „The Wolf of Wall Street“ mehr und mehr einen Namen als Drama-Darsteller macht, hat sich James Franco immer weiter zum Mittelmaß der Schauspielriege bewegt. In Rupert Goolds „True Story – Spiel um Macht“ treffen die beiden nach „Das ist das Ende“ („This Is the End“) wieder aufeinander.
Was ist wahr?
Der Plot gestaltet sich ziemlich interessant: Der Film behandelt die sehr verquere Beziehung zwischen dem erfolgreichen investigativen Journalisten Michael Finkel (Jonah Hill) und dem des Mordes an seiner Familie angeklagten Christian Longo (James Franco).
Ersterer hatte gerade noch seine zehnte Titelstory bei den New York Times innerhalb von drei Jahren gefeiert. Diese wurde jedoch wegen journalistischer Schludrigkeit seitens Finkel revidiert inklusive einer Entschuldigung (Stichwort: Sorgfaltspflicht). Aufgrund dessen verliert der Star-Reporter seinen Job, seine Reputation und ist nunmehr eine persona non grata.
Sein gegenüber Longo hat sich nach der Ermordung seiner Frau Mary Jane (Maria Dizzia) und seinen drei Kindern nach Mexiko abgesetzt und sich als Mike Finkel von den New York Times ausgegeben. Nach Longos Festnahme durch das FBI wird unser Protagonist auf diesen merkwürdigen Identitätsklau aufmerksam gemacht und setzt sich mit ihm in Verbindung.
Was sich dann abspielt, ist ein manchmal fast kammerspielartiger Austausch der beiden Hauptcharaktere. Wie sich herausstellt, ist Longo ein langjähriger Fan von Finkel. Nur deswegen hat dieser exklusiv das Recht mit und über Longo zu sprechen bzw. zu schreiben. Im Gegenzug muss Finkel versprechen, sämtliche Inhalte ihrer Korrespondenz erst nach dem Prozess preis zu geben und ihm die Kunst des Schreibens beizubringen.
Seine ihn in guten wie in schlechten Zeiten unterstützende Freundin Jill (Felicity Jones) ist diese „Freundschaft“ zwischen den beiden mehr als nur suspekt. Wo sie noch zu Anfang eine Möglichkeit für ihren Lebenspartner – und in gewisser Weise auch sich selbst – gesehen hat, sieht Jill nur noch einen potenziellen Beziehungskiller sowie einen weiteren möglichen Karrierebruch für ihren Partner. Im weiteren Verlauf wird die ganze Sache auch immer undurchsichtiger für Finkel, der sich gar nichts mehr sicher sein kann. Hat Longo seine Frau und seine vier Kinder kaltblütig umgebracht? Warum sind die beiden sich so ähnlich in vielerlei Hinsicht? Warum wurde gerade er in diese Angelegenheit verwickelt?
Wer hätte das gedacht?
Wenn man sich mal das Schaffen von James Franco in den letzten Jahren anschaut, wird man feststellen, dass man ihn jährlich in etwa 300 Projekten wiederfinden kann. Alleine im laufenden Kalenderjahr verzeichnet der Tausendsassa auf IMDB 17 (!!!) Credits als Darsteller oder Voice Actor. Dazu kommen weitere Arbeiten als Regisseur, Drehbuchautor, Künstler, Theaterdarsteller und und und. So langsam aber sicher ist der gute James auf dem Weg, der zweite Nic Cage zu werden – nur ohne den Kultstatus. Das ist besonders schade, da er mit seiner Breakthrough-Performance als ’50s-Ikone James Dean im gleichnamigen TV-Film auf TNT einen verdienten Golden Globe einheimsen konnte und in der Folgezeit in einigen hochwertigen Produktionen wie der „Spider-Man“-Trilogie, „Milk“ oder der Drogen-Komödie „Ananas Express“ („Pineapple Express“) zu sehen war. 2011 wurde er sogar für seine Rolle als Aron Ralston in „127 Hours“ für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert. Seine Co-Moderation der selben Veranstaltung läutete jedoch sowas wie seinen langsamen und stetigen Abstieg als Charakterdarsteller ein, obwohl er das Handwerkzeug dafür ohne Frage besitzt.
Umso schöner ist es mal wieder einen guten Film und vor allem eine gute Leistung mit James Franco zu sehen. Als undurchsichtiger Gegenspieler von Jonah Hill kann er durchaus überzeugen. Franco schafft es den Zuschauer immer so ein Bisschen zwischen Sympathie und Antipathie seinem Charakter gegenüber wandern zu lassen. Es tut ihm auch gut, ein Wenig aus seiner Comfort Zone herauszutreten und etwas anderes zu spielen, als einen perplexen Kiffer (a.k.a. sich selbst).
Auf der anderen Seite sieht man förmlich, wie Jonah Hill beinahe von Film zu Film immer „erwachsener“ wird. Im Gegensatz zu Franco hat dieser sein Portfolio mit Bedacht erweitert und damit auch seinen eigenen Horizont. Seine Leistung ist – wie so oft – mehr als solide. Hill schafft es mittlerweile auch einen Film alleine als Hauptfigur zu tragen. Nach seinen Co-Hauptrollen in den Hollywood-Meta-Comedys „21 Jump Street“ und „22 Jump Street“ sowie zwei Oscarnominierungen als bester Nebendarsteller, hat sich Jonah Hill zu einem ernstzunehmenden A-Lister entwickelt. Das ist auch in „True Story“ wieder zu sehen. Im Zusammenspiel mit Franco und Felicity Jones, deren Rolle im Laufe des Films immer bedeutender wurde, schafft er es einen manchmal sympathischen und manchmal unsympathischen Michael Finkel zu präsentieren. Da der Film auf den Memoiren des Reporters bzw. Schriftstellers basiert und „True Story“ in gewisser Weise selbstkritisch sowie als eine Art Mahnmal für Journalisten funktioniert, kann man Hills Leistung als sehr gelungen bezeichnen.
Wie schon erwähnt wird die Rolle von Felicity Jones je weiter der Film voranschreitet immer bedeutungsvoller. Zu Anfang hat man noch den Eindruck, dass sie lediglich eine „Ja, Schatz“-Freundin spielt und wenig zum gesamten Geschehen beiträgt. Deswegen denkt man sich auch, dass die in diesem Jahr als beste Hauptdarstellerin für den Oscar nominierte Britin ein Wenig verschenkt wurde. Ihre Bedeutung für die Handlung von „True Story“ zeigt sich jedoch erst im letzten Drittel des knapp 100 Minuten langen Dramas.
In der Summe steht eine Charakterstudie und ein Ratespiel, das durch gute Performances der Darsteller überzeugen kann. Wer sich mit der Geschichte von Michael Finkel und Christian Longo bereits vertraut gemacht hat, kann sich hier weniger von der unmittelbaren Spannung der Story erfreuen, als am Zusammenspiel der verschiedenen Charaktere. Doch auch ohne Vorkenntnisse kann man sich spätestens zur Halbzeit des Films ein relativ akkurates Bild selbst darüber machen, was sich eigentlich zwischen Longo und Finkel abspielt. Insgesamt ist „True Story – Spiel um Macht“ zu empfehlen, neben guten Leistungen von Hill, Franco und Jones bietet der das Drama zwar keine kopfbrechenden Twists oder besondere Schnitt- bzw. Kameraarbeit, doch ist der Film durchaus spannend und unterhaltsam.
Ab dem 6. August 2015 wird „True Story“ – knapp vier Monate nach dem US-Release – auch in den deutschen Kinos erscheinen. Bis dahin muss man sich zunächst mit dem Trailer zufrieden geben.
7,5/10
True Story (2015)
True Story – Spiel um Macht
Drama, Mystery, Thriller, Ratespiel
Regie: Rupert Goold
Buch: Rupert Goold, David Kajganich, Michael Finkel (Memoiren)
Darsteller: Jonah Hill, James Franco, Felicity Jones, Maria Dizzia
Kinostart DE: 06.08.2015
Kinostart US: 17.04.2015
Heimkinostart DE: ??.??.????
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