Was für ein Jahr. Nachdem die Avengers, Ethan Hunt, James Bond und sogar die beliebten Dinosaurier eine neue Auflage bekommen haben, betritt pünktlich zur Weihnachtszeit DER Platzhirsch des Kinos die Bühne. Zehn Jahre nachdem Episode 3 die enttäuschende Prequel-Trilogie beendet hat, flimmert erneut der ikonische Text ins All, unterlegt mit John Williams‘ gewohnter Musik. Kaum jemand muss über die „Star Wars“-Filme und ihren monumentalen Einfluss aufs Kino aufgeklärt werden. Seit George Lucas 1977 das Blockbuster-Kino komplett umgekrempelt hat, ist das Franchise rund um Luke, Leia, Han Solo und die hellen und dunklen Seiten der Macht stetig gewachsen und erfreut sich der wohl größten Fangemeinde weltweit, zumindest im Filmbereich. Das Steuer nimmt nun J.J. Abrams in die Hand, der schon „Star Trek“ aufpoliert und ins 21. Jahrhundert gebracht hat. Mit „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ („Star Wars: The Force Awakens“) stellt er sich einer noch viel schwierigeren Aufgabe. Meine Kritik zum Film ist selbstverständlich SPOILERFREI und kann ohne Risiko gelesen werden.
Something old, something new, something borrowed, something blue
Nachdem die Episoden 1, 2 und 3 den Mythos „Star Wars“ gehörig angeknackst haben, zählt vor allem Eines: Die „Star Wars“-Filme neu zu definieren und nach Möglichkeit zu ihren Wurzeln zurückzuführen. Dafür mussten sich Abrams und Team zunächst damit beschäftigen, was „Star Wars“ ausmacht und warum es so viele Leute über Jahrzehnte begeistert. Wenn man an die klassische Trilogie zurückdenkt und versucht, den kulturellen Kontext auszuklammern, ist „Star Wars“ weitaus weniger magisch, als es den Eindruck hat. Letztlich handelt es sich bei den Episoden 4-6 um bloße Abenteuerfilme, denen ein reichhaltiger, außerirdischer und fantasievoller Kosmos zu Grunde liegt. Charismatische Charaktere, dramatische Wendungen, Humor, Action und aufregende Kampfsequenzen. Offensichtlich haben der Regisseur und sein Team aus Autoren und Produzenten es sich zum Ziel gemacht, dieses Gefühl zu reproduzieren. Und selbst als jemand, der „Star Wars“ nicht als Religion, sondern „nur“ als Reihe von guten/nicht so guten Filmen sieht, freut es mich extrem, dass dieses Ziel mit Bravour gemeistert wurde.
Einige Jahre sind vergangen, seit die Geschwister Skywalker, Han Solo und Co. das Imperium bekämpft haben. Eine neue Generation aus Abenteurern wurde geboren und ihre Konflikte unterscheiden sich kaum von denen ihrer Eltern. Erneut gibt es böse Jungs, die nach Vernichtung und Macht streben. Und erneut gibt es gute Jungs (und Mädchen), die sich ihnen entgegenstellen. Auf dieser sehr einfachen Ebene spielen sich die Geschehnisse von „The Force Awakens“ ab. Auf die Problematiken von intergalaktischer Politik und Besteuerung von Handelsrouten muss man hier leider verzichten. Dafür gibt es eine Menge anderer Dinge, die sowohl den heißblütigen „Star Wars“-Fan als auch den gelegentlichen Kinogänger bei Laune halten und begeistern.
„The Force Awakens“ orientiert sich deutlich an seinen (älteren) Vorgängern und macht es sich zur Aufgabe, eine simple, aber aufregende Geschichte im wohlbekannten Universum zu erzählen. Dabei zieht er sowohl Inspiration als auch vereinzelte Merkmale direkt aus den Episoden 4 bis 6. Im Kontext von „Star Wars“ ist dies das Gegenteil eines Problems. Der Droide BB8 zum Beispiel erinnert stark an das C3P0-R2D2-Gespann. Das hindert ihn jedoch nicht daran, nach zwei Minuten Leinwandpräsenz bereits die Herzen des Publikums zu erobern. Überhaupt ist die Balance aus alten und neuen Elementen beeindruckend. Viele Gesichter und Gerätschaften des Kosmos sorgen für freudige Momente des Wiedersehens. Doch zu keiner Zeit fühlt sich „The Force Awakens“ wie ein Werk an, das in erster Linie auf Fan-Service abzielt. Abrams bereichert die Welt von „Star Wars“ um neue, ikonische Szenen, die sich mühelos neben „No. I am your father!“ einreihen werden. Der Wüstenplanet Jakku, der als Friedhof für Sternenzerstörer und Heimat von Rey (Daisy Ridley) dient, ist eine von vielen mächtigen Kulissen, die dem beschädigten Franchise einen frischen Wind bescheren.
Wie schon in der klassischen Trilogie zieht der Film einen Großteil seiner Wirkung nicht aus den großen Sets, sondern aus seinen Charakteren, die eine feine Dynamik entwickeln. Als Nachwuchs des „Star Wars“-Universums hat J.J. Abrams einige der besten Schauspieler der heranwachsenden Generation besetzt. Adam Driver und Domhnall Gleeson als brandgefährliche Offiziere einer neuen, dunklen Macht. Oscar Isaac als großmauliger, unendlich cooler Pilot. John Boyega als Gejagter, der sich einem moralischen Dilemma stellen muss. Und natürlich die bis dato eher unbekannte Daisy Ridley, die als patente Protagonistin in die Fußstapfen eines Luke Skywalker tritt. Der junge Cast entwickelt nicht nur untereinander eine amüsante und unterhaltsame Chemie. Auch mit den drei Veteranen Carrie Fisher, Harrison Ford und Mark Hamill, die für einige der jungen Schauspieler sicherlich Helden sind, harmonieren sie perfekt.
„Star Wars: The Force Awakens“ ist der „Star Wars“-Film, auf den Fans seit „Return of the Jedi“ in 1983 warten. Eine fantasie- und liebevoll gestaltete Erweiterung des beliebten „Star Wars“-Kosmos, der die etablierte Welt mit genau so viel Sorgfalt behandelt, wie seine Neuzugänge. Für alle Nicht-Fans ist „The Force Awakens“ ein einwandfreies und empfehlenswertes Kinoerlebnis. Mit sympathischen Figuren, aufregenden Action-Sequenzen, viel Herz und sehr viel Spaß. Mit anderen Worten genau das, was man von einem großen Sommer-Blockbuster erwarten kann. Selbst, wenn er zu Weihnachten läuft.
„Star Wars“ lebt wieder. Und das ist gut so. Chapeau, J.J.!
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9/10
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Star Wars: The Force Awakens (2015)
Star Wars: Das Erwachen der Macht
It’s fucking Star Wars..
Regie: J.J. Abrams
Buch: J.J. Abrams, Lawrence Kasdan, Michael Arndt (Drehbuch), George Lucas (Charaktere)
Darsteller: Harrison Ford, Carrie Fisher, Daisy Ridley, Adam Driver, John Boyega, Oscar Isaac, Mark Hamill, Domhnall Gleeson, Peter Mayhew
Kinostart DE: 17.12.2015
Kinostart US: 18.12.2015
Heimkinostart DE: –
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