Als zweiten Teil meiner Nachbereitung des Kinojahres habe ich eine Liste von 10 Filmen zusammengestellt. Diese 10 Filme stellen für mich persönlich die eindrucksvollsten, faszinierendsten, unterhaltsamsten und schlicht gesagt besten Filme des Jahres 2013 dar. Lange Rede, kurzer Sinn..
10. Pacific Rim
USA / 2013 / Guillermo Del Toro
18.07.2013 – Savoy Kino Hamburg
When I was a kid, whenever I’d feel small or lonely, I’d look up at the stars.
Wondered if there was life up there. Turns out I was looking in the wrong direction.
When alien life entered our world, it was from deep beneath the Pacific Ocean.
A fissure between two tectonic plates. A portal between dimensions.
The Breach.
Anstatt mir eine Reihe von möglichst objektiven und gemeingültigen Merkmalen auszudenken und meine Kinoerlebnisse auf diese Merkmale zu prüfen, stelle ich meine Favoriten lieber aus meinen komplett subjektiven Eindrücken zusammen. Ein wichtiger und in mancherlei Kreisen vergessener Teil des Kinogangs ist und bleibt es, unterhalten zu werden und Spaß am Prozess zu haben. Viele Filme des modernen Unterhaltungskinos weisen die immer gleichen Mängel auf, sei es fehlende Kreativität, fantasielose Inszenierung oder das immer wieder auftretende Recycling von Geschichten und Motiven. Der einzige Film aus der Reihe der Sommer-Blockbuster der diesen Bann in 2013 brechen konnte, war „Pacific Rim“ von Guillermo del Toro („Hellboy“, „Pan’s Labyrinth“). Mit beeindruckender und detailverliebter Bildgestaltung zaubert Del Toro seine konfliktreiche und futuristische Welt auf die Leinwand. Natürlich bietet „Pacific Rim“ auch das eine oder andere Klischee das mit seinem Genre einher geht, auch Schauspiel-Oscars wird es für den Cast wohl keine regnen. Trotzdem verdient er als positivste Überraschung in 2013 und einziger wirklich guter Spektakel-Film den zehnten Platz in meiner Jahresaufstellung.
9. La Vénus à la fourrure
Frankreich, Polen / 2013 / Roman Polanski
29.09.2013 – Passage Kino Hamburg
Non, „La Vénus à la fourrure“ est une très belle histoire d’amour, c’est un vrai roman,
c’est un des grand textes du littérature mondiale!
— Ah oui..pour moi, c’est du porno.
Nach „Carnage“ nimmt Polanski erneut ein Kammerspiel in Angriff, statt einem Apartment in New York nun in einem leeren Theater in Paris, statt vier Akteuren nur noch zwei. Der Theaterregisseur Thomas (Mathieu Amalric) hat sein erstes Casting für die Hauptrolle in „La Vénus à la fourrure“ erfolglos beendet und will frustriert Feierabend machen, als Schauspielerin Vanda (Emmanuelle Seigner) in den Saal stolpert und ihn darum bettelt, vorspielen zu dürfen. Was in den nächsten anderthalb Stunden folgt ist eine flotte, clevere und sehr pointierte Auseinandersetzung mit dem Krieg der Geschlechter auf sexueller, psychologischer und sozialer Ebene. Basiert ist das von Roman Polanski und David Ives geschriebene Drehbuch sowohl auf zwei gleichnamigen Werken. Dem (ebenfalls von Ives geschriebene) Theaterstück und dem 1870er Roman von Leopold von Sacher-Masoch. Den zwei literarischen Grundlagen fügt Polanski eine weitere, sehr durchdachte und kreative filmische Ebene hinzu und inszeniert eine kuriose, hochinteressante und außergewöhnliche Geschichte zwischen Männlein und Weiblein, die trotz ihrer Limitierungen nie langweilig wird.
8. The World’s End
UK / 2013 / Edgar Wright
11.09.2013 – Savoy Kino Hamburg
I remember sitting up there,
blood on my knuckles, beer down my shirt, sick on my shoes
and seeing the orange glow of a new dawn break
and knowing in my heart life would never feel this good again.
And you know what? It never did.
Nach insgesamt fast 10 Jahren ist die epische „Cornetto-Trilogie“, die 2004 mit „Shaun of the Dead“ begann und 2007 mit „Hot Fuzz“ weiterging, nun endlich zu einem Abschluss gekommen. Das Trio dahinter, bestehend aus Regisseur Edgar Wright und den Schauspielern Simon Pegg und Nick Frost, liefert mit „The World’s End“ den ultimativ gehaltvollsten und vielseitigsten Film der Trilogie ab. Fünf Männer aus London machen sich auf um eine legendäre Saufnacht zu wiederholen, die sich vor 20 Jahren abgespielt hat. Auf dem Weg zur Alkoholvergiftung macht der Film eine ähnlich spaßige Kurve wie bereits die beiden Vorgänger und es entfaltet sich ein bunter und kreativer Mix aus zwei Genres. Allerdings ist er keineswegs als Klon von „Shaun“ und „Hot Fuzz“ zu verstehen. Er besitzt zwar die selbe DNA, jedoch sind die Charaktere und der emotionale Kern der Geschichte weitaus reifer. Auf Kosten von einigen Witzen, die Fans der Vorgänger vermissen könnten, bauen die Autoren Pegg und Wright für ihre Story ein tragischeres Gerüst, als man von ihnen erwartet hätte. Und ganz nebenbei liefert Simon Pegg hier auch noch das beste dramatische Schauspiel seiner bisherigen Karriere ab. Das macht „The World’s End“ nicht zum lustigsten Film des Wright-Pegg-Frost-Dreiecks, aber definitiv zum Besten.
7. Only Lovers Left Alive
UK, USA, Deutschland, Frankreich, Zypern / 2013 / Jim Jarmusch
02.10.2013 – CinemaxX Dammtor Hamburg
You being so reclusive and everything, it’s probably only going to make people more interested in your music.
— Yeah..what a drag..
Ganz ohne Vampir-Love-Story konnte das Jahr 2013 leider doch nicht über die Runden kommen. Allerdings stammt dieses Drama gnädigerweise aus der Feder von Jim Jarmusch und nicht Stephenie Meyer. Adam (Tom Hiddleston) und Eve (Tilda Swinton) sind ein Ehepaar, und das seit mehreren Jahrhunderten. Gemeinsam beobachten sie die Welt, die Menschen und ihre Umwelt mit einer Ruhe, wie sie nur Unsterblichen vergönnt sein kann. Adams zunehmende Betroffenheit mit dem Zustand der Welt und den zahlreichen Verfehlungen der „Zombies“ (Menschen) veranlasst seine Angetraute dazu, ihr Quartier in Marokko zu verlassen und ihm zur Seite zu stehen. Jarmusch beschäftigt sich mit großen Themen, im Zentrum stehen der Zyklus des Lebens und die Gegenüberstellung von Vergänglichkeit und Unendlichkeit. Eingepackt werden seine Dialoge und Szenen in eine nächtliche Welt, die zwischen dem verlassenen Detroit und dem orientalischen Tangier pendelt. Mit dem exzellenten Soundtrack und den großartigen Leistungen, die Jarmusch vor allem seinen Hauptakteuren entlockt fügt sich „Only Lovers Left Alive“ zu einem tiefgründigen und berauschenden Meisterstück zusammen.
6. Inside Llewyn Davis
USA / 2013 / Joel & Ethan Coen
30.09.2013 – Passage Kino Hamburg
Do you ever think about the future at all?
— You mean like move to the suburbs, have kids?
That’s bad?
— If that’s what music is to you, a way to get to that place, then yeah, it’s a little careerist and it’s a little square and it’s a little sad.
Zur bereits vielseitigen und bunten Filmografie der Coen-Brüder gesellte sich in 2013 „Inside Llewyn Davis“, ein Querschnitt durch das Leben von Llewyn Davis, einem Folkmusiker im New York der 1960er. Anders als beim Großteil der Coen-Filme gesellten sich zu den positiven Meinungen von Kritikern und Publikum dieses Mal auch einige negative Stimmen, die den Film wegen seinem seichten Tempo und seinem flachen Spannungsbogen bemängelten. Argumente die durchaus nachvollziehbar sind, schließlich kann „Inside Llewyn Davis“ nicht mit einem Feuerwerk an Humor aufwarten, wie es beispielsweise „The Big Lebowski“ tut. Auch fehlt dem Film ein klarer Konflikt, oder ein Antagonist der so sadistisch und unberechenbar ist wie Anton Chigurh in „No Country For Old Men“. Die Stärken des Films liegen stattdessen in der stimmungsvollen und perfekten Inszenierung von Llewyns New Yorker Umgebung und der Szene, in der er sich herumtreibt. „Inside Llewyn Davis“ ist gedacht als ein ruhiges und authentisches Drama über einen ebenso charismatischen wie verirrten jungen Protagonisten. Ein besonnener Film zum Durchatmen, der dank der Meisterhand der Coen-Brüder zu den besten seiner Art und des Jahres 2013 gehört.
5. Tore Tanzt
Deutschland / 2013 / Katrin Gebbe
28.09.2013 – CinemaxX Dammtor Hamburg
Wieso soll man denn leben, wenn man nicht an das Gute glauben kann?
Viel zu selten sieht man Filme, die religiöse und soziale Ansätze ehrlich und aufrichtig diskutieren. In „Tore Tanzt“ geht es Tore (Julius Feldmeier), einen Einzelgänger der seine Nische in einer Hamburger Gruppe von hochreligiösen „Jesuspunks“ gefunden hat. Der unbescholtene und naive Junge gerät an Benno (Sascha Alexander Gersak) und seine Familie, die ihn prompt in ihr Leben und ihre Wohnung aufnehmen. Regisseurin Katrin Gebbe schreibt und inszeniert ein knallhartes Drama und zeigt was passiert, wenn zwei Pole der Menschlichkeit aufeinandertreffen. Es ist bemerkenswert genug, dass ein deutscher Film die Nummer Zwei der verstörendsten und buchstäblich schmerzhaftesten Filme des Jahres ist (die Asiaten schlägt niemand), die düstere und starke Inszenierung der Spielfilmdebütantin Katrin Gebbe rechtfertigt zusätzlich den Platz in den Top 5.
4. Filth
UK / 2013 / Jon S. Baird
04.10.2013 – CinemaxX Dammtor Hamburg
Same rules apply.
Als Liebhaber und regelmäßiger Benutzer von politisch möglichst unkorrektem Humor ist „Filth“ weit oben in meiner Liste. Die Buchverfilmung des Schotten Irvine Welsh beschränkt sich allerdings nicht nur auf Zoten und Toilettenhumor. Bruce Robertson (James McAvoy) ist ein Polizist, der versessen darauf ist, die anstehende Beförderung im Revier zu bekommen. Grund dafür ist sein Haussegen, der seit einiger Zeit schief hängt. Schnell stellt Bruce sich als absolut rücksichtslose Drecksau (deutscher Filmtitel) heraus, wenn es um das berufliche Vorankommen geht. Egal ob übermäßiger Drogenkonsum, sexuelles „Fehl“verhalten oder schlichte Manipulation seiner Kollegen, Nichts lässt der ambitionierte Wachtmeister auf seinem Weg nach oben aus. Was den Film letztendlich so stark macht ist der Charakter des perfekten Antihelden und die unvermeidbare Entdeckung seiner wahren Hintergründe und Motivationen. James McAvoy gibt in „Filth“ die außergewöhnlichste und stärkste Performance seiner Karriere ab und steigt mit Haut und Haaren in die Abgründe seiner Figur ein. Nicht nur ist der Film auf der Linie zwischen düsterer Komik und radikaler Tragik, er hat auch eine große Menge Courage, was ihn mehr als bemerkenswert macht.
3. Gravity
USA / 2013 / Alfonso Cuarón
09.10.2013 – CineStar IMAX Berlin
I get it, it’s nice up here.
You could just shut down all the systems, turn down all the lights, just close your eyes and tune out everyone.
There’s nobody up here that can hurt you. It’s safe. What’s the point of going on? What’s the point of living?
Als Fan von authentischen und gut durchdachten Science-Fiction-Filmen gehörte „Gravity“ bereits viele Monate im Vorfeld zu meinen am heißesten erwarteten Filmen des Jahres 2013. Die hohen Erwartungen hat er schließlich mehr als erfüllt. Die Wucht des visuellen Erlebnisses ist enorm, atemberaubend und lässt sämtliche Gehversuche der 3D-Technologie im Regen stehen. Für mich hat „Gravity“ vier Jahre nach „Avatar“ endlich das abgeliefert, was dem Kinobesucher versprochen wurde. Anstatt das noch junge Werkzeug der Dreidimensionalität für billige Gimmicks und eine künstliche Erhöhung des Ticketpreises zu nutzen, geht Cuarón endlich den angemessenen Schritt voran. Vor der wohl schönsten und beeindruckendsten Kulisse die im realistischen Sci-Fi möglich ist, tobt er sich in sämtlichen Bereichen aus. Ob Bildgestaltung, Schnitt oder Tondesign, „Gravity“ ist ein technischer Meilenstein und neuer Richtwert, an dem sich Filme seiner Art messen sollten. Zusammengehalten wird das Geflecht aus handwerklichen Großtaten von Sandra Bullock, die entgegen etlicher Miesmacher hier eine der besten weiblichen Leistungen des Jahres abgibt. Was dem Film letztendlich die bronzene Medaille verschafft ist die perfekte Harmonie zwischen dem schwindelerregenden Setting und der einfachen aber profunden Geschichte des Films und seines Hauptcharakters.
2. Short Term 12
USA / 2013 / Destin Cretton
27.09.2013 – Abaton Hamburg
Everything good in my life is because of you.
Für „Short Term 12″ habe ich in meinen letzten Blogposts bereits ohne Ende Lob gesungen, trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass es genug war. Der zweite Langfilm des jungen Amerikaners Destin Cretton reiht sich ohne Mühe in die besten Dramen der Filmgeschichte ein. So perfekt sind die Darstellungen der teilweise unerfahrenen Schauspieler, so fein ausbalanciert sind die zahlreichen tragischen und komischen Elemente der Geschichte. Die Mittzwanzigerin Grace (Brie Larson) arbeitet als Betreuerin in einer temporären (short term) Wohneinrichtung für psychisch kranke, sozial schwache und sonstwie benachteiligte Minderjährige. Der private und berufliche Alltag von Grace und ihrem Freund Mason (John Gallagher Jr.) sind die Grundlage des Films, bis die Teenagerin Jayden (Kaitlyn Dever) ihren Arbeitsplatz betritt und vor allem auf Grace eine besondere Wirkung hat.“Short Term 12“ ist ein ausgezeichnetes und bedingungslos ehrliches Drama ohne nennenswerte Schwachpunkte oder überflüssige Elemente. Ein wirkliches Musterbeispiel, wie man ohne übermäßige monetäre Ressourcen und beschränkt auf gute Schauspieler, ein gutes Drehbuch und einen guten Regisseur große Filmkunst schaffen kann.
1. Upstream Color
USA / 2013 / Shane Carruth
16.02.2013 – CineStar Berlin Potsdamer Platz
You can force your story's shape but the color will always bloom upstream
Von allen der beinahe unzählbaren Merkmalen, die ein Film aufweisen kann ist es vor allem die Außergewöhnlichkeit, die mich persönlich fasziniert. In 2012 habe ich „Cloud Atlas“ als Nummer 1 des Jahres benannt, ein dreistündiges Mosaik von einer Buchverfilmung, das in Form und Struktur herausstand. Auch im kürzlich vergangenen Jahr ist es wieder einer dieser Grenzgänger, der mich am meisten fasziniert hat.
I have to apologize.
I was born with a disfigurement where my head is made of the same material as the sun,
which makes it impossible for you to look directly at me.
It has always been this way.
Der amerikanische Mathematiker und Filmemacher Shane Carruth ist ein definitives Ausnahmetalent. Im Jahr 2004 hat er mit „Primer“ sein Spielfilmdebüt abgeliefert, bei dem er sich um Regie, Produktion, Drehbuch, Schnitt, Sounddesign gekümmert hat, um nur einen Teil seiner Aufgaben aufzuzählen. Außerdem hat er eine der beiden Hauptrollen übernommen. Thema des Films sind zwei kluge aber unaufregende Hobby-Wissenschaftler, die durch Zufall eine Technologie entdecken, die Zeitreise ermöglicht. Carruth schrieb ein kurzes, knackiges und extrem gut durchdachtes Drehbuch und konnte es mit nur ca. 7000 US-Dollar auf die Leinwand bringen wo er unter Anderem mit dem Jurypreis des Sundance-Festivals bedacht wurde. Auch hat sich „Primer“ in den 9 Jahren seit seiner Veröffentlichung dank seiner rätselhaften Struktur und seiner detailreichen Inszenierung zu einem Kultfilm entwickelt und gilt als einer der besten Zeitreise-Filme überhaupt.
In seinem zweiten Spielfilm, 9 Jahre später, erweitert Carruth seine enigmatischen Dialoge um eine ästhetische Ebene, die seine Fähigkeiten als Filmemacher noch weiter offenbaren. Die Handlung von „Upstream Color“ ist schwer greifbar und noch schwerer zu definieren, es geht um eine Frau (Amy Seimetz) und einen Mann (wieder Shane Carruth), die dank einer gemeinsamen Vergangenheit zueinander finden und sich in einen philosophischen und metaphorischen Diskurs über das Leben, die Natur und ihre eigene Identität begeben. Anders als „Primer“ ist „Upstream Color“ nicht nur eine Puzzle-Box, die nach einer Lösung verlangt. Das verträumte und intensive Sounddesign, der hypnotische Soundtrack und die bemerkenswerte Kamera- und Schnittarbeit machen den Film zu einem abstrakten Kunstwerk, das in erster Linie betrachtet werden sollte. Die Tatsache, dass es sich erneut fast um eine One-Man-Show von Shane Carruth handelt (Regie, Produktion, Drehbuch, Schnitt, Kamera, Musik, Schauspiel), verstärkt meinen Respekt vor diesem Filmschaffenden und seiner Vision noch weiter. „Upstream Color“ ist ein atemberaubender, origineller, außergewöhnlicher und auf mehreren Ebenen schlichtweg schöner Film, wie ihn das Kino nur viel zu selten spendiert bekommt. Meine Nummer 1 des Jahres 2013.