16 Jahre nachdem Roland Emmerich die japanische Marke Godzilla für den westlichen Markt auf ein schmerzhaft dämliches Spektakel degradierte, ist 2014 endlich die Zeit für eine Neuinterpretation gekommen. Um das weltbekannte Material in einen akzeptablen Film zu verpacken, wurde der britische Regisseur Gareth Edwards verpflichtet, der 2010 mit seinem Langfilmdebüt „Monsters“ bereits Kompetenz im Monstersektor sammeln konnte. Mit einem Budget, das etwa 200 Mal höher ist, macht sich Edwards nun daran, der riesigen Echse einen würdigen Schritt ins 21. Jahrhundert zu bescheren. Zum Leidwesen vieler Monsterfilm-Fans bietet das Mainstream-Kino der letzten Jahre zwischen seinen endlosen Marvel-Aufgüssen und Sequel-Eskapaden nur wenig, auf/über das man sich freuen konnte. Für mich persönlich zählen der clevere Genre-Mix „Cloverfield“ und natürlich Guillermo del Toros Klopperei „Pacific Rim“ zum Besten, was der Monsterfilm in den letzten Jahren hervorbrachte. Entsprechend hoch war die Vorfreude auf den ersten großen Sommer-Blockbuster des Jahres 2014 und die Wiederbelebung des Königs der Monster. Allen Godzilla-Fans, die noch immer von Emmerichs Gurke traumatisiert sind, kann ich zunächst Entwarnung geben. Im Gegensatz zur 1998er-Auflage verdient die neue Version die Bezeichnung „Film“ voll und ganz. Trotzdem leidet „Godzilla“ an einer Reihe von Problemen. Die Herangehensweise unterscheidet sich auf den ersten Blick deutlich von der üblichen Blockbuster-Kost. Nach einem sehr stimmigen und bombastischen Vorspann nimmt der Film sich zunächst Zeit, um seine Charaktere zu etablieren. Im Mittelpunkt steht zunächst Joe Brody (Bryan Cranston), der 15 Jahre nach einem Zwischenfall in einem Kernkraftwerk noch immer wie besessen auf der Suche nach den Hintergründen des Unfalls ist und sich zusammen mit seinem Sohn Ford (Aaron Taylor-Johnson) auf die Spur einer Verschwörung begibt. Kurz darauf betreten auch die ersten gigantischen Monster den Bildschirm und die Handlung nimmt ihren (für Monsterfilme typischen) Lauf. Es mag durchaus löblich sein, dass „Godzilla“ sich die Zeit für seine menschlichen Charaktere nimmt, allerdings tut sich hier auch das erste und größte Loch des Films auf: Die Figuren, insbesondere der spätere Protagonist Ford, sind allesamt eindimensional, komplett austauschbar und hindern den Film daran, eine greifbare Spannung aufzubauen. Der einzige Charakter, der ansatzweise funktioniert, ist Godzilla selbst. Das ist an sich nicht weiter schlimm, wenn der Film sich nicht über weite Strecken auf die kaum funktionierenden menschlichen Elemente konzentrieren würde.
Das zweite große Problem neben der schlechten Balance ist das Drehbuch, das stellenweise beinahe an die Dümmlichkeit von Emmerichs Werk erinnert. Zum Ende des Films dreht sich ein Plotpunkt um eine scharfe Atombombe, die aus einer Stadt entfernt werden muss. Der ganze Handlungsstrang um die Bombe ist dermaßen schlecht konstruiert, dass mir beim Kopfschütteln beinahe meine 3D-Brille von der Nase geflogen wäre. Gerettet wird der Film schließlich vom letzten Drittel, in dem endlich die Schauwerte geboten werden, auf die man sich im Vorfeld freute. Anders als in den bisher genannten Disziplinen, enttäuscht „Godzilla“ hier keineswegs. Die Kampfszenen des Finales überzeugen vollends und lassen weder bei Kameraführung, Schnitt, visuellen Effekten, Sounddesign oder generellem Bombast-Faktor zu wünschen übrig. Auch außerhalb vom großen Monster-Mosh ist „Godzilla“ ein sehr ansehnlicher Film, vor allem die Sequenz des HALO-Sprungs ist atemberaubend. An „Cloverfield“ gefiel mir in erster Linie der originelle und kreative Stil und die spärliche Präsenz des Monsters. Letzteres versucht „Godzilla“ ebenfalls, allerdings leidet die Dynamik zwischen Monstern und Menschen hier an den mageren Figuren. „FUCK YEAH!“-Momente, wie „Pacific Rim“ sie am laufenden Band ablieferte, sind zwar vorhanden, aber beschränken sich auf die letzten 5 Minuten. Insgesamt ist „Godzilla“ ein solider und empfehlenswerter Monsterfilm, der die wichtigsten Aufgaben seines Genres mit Bravour meistert. Außerhalb des Kaiju-Kontexts krankt er an einigen, teils unnötigen Schwächen, die ihn zurückhalten. Trotzdem ist das Geld in einen Kinobesuch gut investiert, vor allem in Hinblick auf die übrige Blockbuster-Landschaft, die neben dem zwanzigsten „X-Men“-Aufguss momentan nicht viel zu bieten hat.
6/10
Godzilla
Action, Sci-Fi, Thriller
Regie: Gareth Edwards
Buch: Max Borenstein, Dave Callaham
Darsteller: Aaron Taylor-Johnson, Elizabeth Olsen, Bryan Cranston
Kinostart DE: 15.05.2014
Kinostart US: 16.05.2014
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