Nicht umsonst zählt der Kanadier David Cronenberg zu einem der Könige des Horror-Genres. In den 80ern sorgte er mit Titeln wie „The Fly“ oder „Videodrome“ dafür, dass seine Zuschauer sich nach dem Kinobesuch in ihren Körpern um Einiges unwohler fühlten. In den darauf folgenden Dekaden verlagerte er seine Exzesse aus Ekel und Gewalt immer mehr vom menschlichen Körper in die Psyche, das beste Beispiel hierfür ist das brutale Märchen „A History of Violence“, das trotz weniger (aber durchaus effektiver) Gewaltspitzen durchgehend ein unbehagliches Gefühl erzeugte. Zuletzt schickte Cronenberg sich mit „Cosmopolis“ an, eine fundamentale Kritik an unserer profitorientierten Welt zu üben. Leider litt der nur schwer durchschaubare Film trotz durchaus nobler Intention an einer behäbigen Struktur und einem katastrophalen Mangel an Spaß, was ihn eher zu einer Prüfung als zu einer bissigen Satire machte.
In „Maps to the Stars“ nimmt David Cronenberg das soziale Phänomen der Berühmtheit ins Visier und beleuchtet es anhand eines wunderbar skurrilen Ensembles. Da wäre die geheimnisvolle Agatha (Mia Wasikowska), die in Hollywood Fuß fassen will und durch ihre seltsame Obsession mit der lokalen Prominenz auffällt. Jerome Fontana (Robert Pattinson) ist ein ambitionierter Drehbuchautor, der sich als Limousinen-Fahrer über Wasser hält. Auf der anderen Seite des Zauns stehen Schauspielerin Havana Segrand (Julianne Moore), die sich mit Händen und Füßen gegen die Überschreitung ihres Zenits und ihren kolossalen Mutterkomplex wehrt, und die Familie des Kinderstars Benjie Weiss (Evan Bird), der mit knackigen 13 Jahren frisch aus der Entzugsklinik gekommen ist. Cronenberg zeigt uns die alltäglichen Probleme der Promis und Möchtegerns, die sich ausschließlich in ihren eigenen Tümpeln aus Egomanie und Geltungssucht suhlen.
Was in „Cosmopolis“ schmerzlich vermisst wurde, ist in „Maps to the Stars“ ständiger Begleiter. Der Film quillt mit bitterbösem, schwarzen Humor förmlich über. Seine Charaktere sind dermaßen überzogen und ihre Aktionen und Bedürfnisse dermaßen rätselhaft, dass den Zuschauern nur selten Gelegenheit zu aufrichtiger Empathie gegeben wird. Stattdessen beschäftigt Cronenberg sich mit den Konsequenzen, die eine Welt aus Ruhm und Oberflächlichkeit mit sich bringt. Diese Konsequenzen nehmen in „Maps to the Stars“ vielerlei Formen an. Heraus stechen vor Allem die Schicksale von Julianne Moores Havana Segrand und Evan Birds Benjie Weiss, letzterer ist ein beeindruckendes (wenn auch maßlos übertriebenes) Beispiel dafür, wie giftig Prominenz für eine ungeformte Persönlichkeit sein kann.
Doch der Mittelpunkt des Ensembles, das ultimativ mehr miteinander zu tun hat, als man denkt, ist Julianne Moore. Als einziges Glied in der Kette der Karikaturen bietet sie für den Zuschauer einen emotionalen Anhaltspunkt, der zu mehr als nur schwarzem Humor taugt. Als misshandeltes Kind eines Hollywood-Stars bewegt sich ihr Charakter auf dem schmalen Grat zwischen Trauma, Obsession, Tragik und Komik. Moores Leistung, die in Cannes als bestes weibliches Schauspiel ausgezeichnet wurde, fängt dieses Zwielicht perfekt ein.
Obwohl die Absurdität seiner Charaktere immer wieder in tiefschwarzem Humor mündet, trägt „Maps to the Stars“ mehr als deutlich die Signatur seines Regisseurs. David Cronenberg inszeniert die Welt der Stars und Sternchen als einen Mikrokosmos, der genau so fundamental verkehrt ist wie das Konzept der Prominenz selbst. Wichtige Aspekte des menschlichen Miteinanders wie Sexualität, Liebe und Zuneigung werden unter dem Mantel von Egozentrik und Oberflächlichkeit zu trivialem Beiwerk degradiert und mutieren in ihre wohl unnatürlichsten und abstoßendsten Formen. So schafft der Regisseur es trotz aller Satire und Komik, in „Maps to the Stars“ eine Handvoll legitimer Aussagen über das soziale Phänomen der Berühmtheit und seinen zerstörerischen Effekt auf die menschliche Psyche unterzubringen.
Als geistiger Nachfolger von „Cosmopolis“ setzt „Maps to the Stars“ sich mit der Dekonstruktion eines Lebensstils ein ähnlich ambitioniertes Ziel, jedoch geht er um Einiges fokussierter und letztlich erfolgreicher ans Werk. Der Film lebt von seinen großartig aufgelegten Schauspielern und vereint die Relevanz einer kompetent formulierten Gesellschaftskritik mit dem Unterhaltungswert und dem Humor einer extrem unterhaltsamen Satire. Der beste Cronenberg seit „A History of Violence“ und eine der besten Abrechnungen überhaupt mit der psychologischen Hölle, die den Namen „Hollywood“ trägt.
8/10
Maps to the Stars
Drama
Regie: David Cronenberg
Buch: Bruce Wagner
Darsteller: Julianne Moore, Robert Pattinson, Sarah Gadon, John Cusack, Mia Wasikowska
Kinostart DE: 11.09.2014
Kinostart US: 27.09.2014 (Screening auf dem New York Film Festival, Kinostart US nicht bekannt)