In Deutschland bekam der neue Film von Alejandro Amenábar zwar einen Kinostart, fand aber trotzdem unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dies lag womöglich an den Stimmen zum Film, die größtenteils negativ ausfielen. Oder an einer generellen Übersättigung, wenn es um die Schnittstelle zwischen Krimi, Horror und Thriller geht. Ich habe mir Regression angesehen und kann gut nachvollziehen, warum die große Sause um den Film ausblieb. Mangelnde Qualität ist überraschenderweise nicht der Grund.
Für den mürrischen Detective Bruce (Ethan Hawke) könnte dieser neue Fall kaum schlechtere Vorzeichen haben. Die junge Angela (Emma Watson) reicht eine schriftliche Aussage ein, in der sie ihrem Vater höllische Verbrechen zur Last legt. Der Vater schwört, dass er sich an die Vorfälle nicht erinnern kann. Und gesteht trotzdem. Damit ist die Sache natürlich nicht erledigt. Der rituelle Charakter der geschilderten Verbrechen lässt auf organisierten Missbrauch und das Werk eines Satanskults schließen. Zusammen mit dem Psychologen Kenneth (David Thewlis) macht Bruce sich daran, die Machenschaften aufzudecken. Zunächst im eigenen Kollegenkreis, später in der unorthodoxen Familie des Opfers.
Von vorne betrachtet handelt es sich bei „Regression“ um einen typischen Krimi, in dem ein pflichtbewusster Ermittler böse Jungs und Mädchen jagt. Allerdings steht der Zuschauer schon früh vor dem selben Problem wie der Protagonist. Auf seinem Tisch liegt ein unterschriebenes Geständnis des Vaters. Einige vage Indizien lassen auf einen groß angelegten Satanskult schließen. Beweise gibt es neben der Aussage des Opfers allerdings keine. Ohne konkretes Ziel und getrieben von dem Drang, Angela zu beschützen, begibt Bruce sich eine seelische Unterwelt und taucht in den Kosmos ritueller Opferung und Folter ein. Lange behält „Regression“ die Form eines Krimis bei, wirft aber weder seinem Publikum noch dem zerstreuten Ermittler viele Knochen hin.
Um die Intentionen des Films zu verstehen, muss man sich mit seinem Hintergrund beschäftigen. Er spielt in den USA zu Beginn der 90er. Zu dieser Zeit war die Angst vor Sekten und Teufelsanbetern ein fester Bestandteil im Bewusstsein der amerikanischen Bevölkerung. Diese kollektive Panik ist der eigentliche Kern des Films und das Thema, mit dem Amenábar sich beschäftigt. Entgegen seiner Krimi-Struktur funktioniert der Film besser als ein Porträt der Zeit und als eine Untersuchung der Folgen von weit verbreiteter Paranoia. Natürlich fällt es nicht leicht, so einen Film zu vermarkten. Es ist anzunehmen, dass viele Kritiker und Zuschauer schlichtweg nicht das bekamen, was sie erwartet hatten.
Die zahlreichen negativen Stimmen zu „Regression“ werden dem Film nicht gerecht. Für einen reinrassigen Krimi wären der schwache Spannungsbogen und das leicht vorhersehbare Ende ein Genickbruch. Nur handelt es sich bei Amenábars Film um mehr als einen Krimi. Er nimmt die Regeln der herkömmlichen Horrorthriller und biegt sie auf eine Art und Weise, die etwas halbwegs Erfrischendes schafft. Zusammen mit seinen zeitlosen und sozial relevanten Themen bildet „Regression“ ein ungewöhnliches, größtenteils funktionierendes Konstrukt, das sich in der Grauzone zwischen Krimi und Drama abspielt.
Regression (2015)
Krimi, Drama, Thriller
Regie: Alejandro Amenábar
Buch: Alejandro Amenábar
Darsteller: Ethan Hawke, Emma Watson, David Thewlis, David Dencik, Lothaire Bluteau
Kinostart DE: 01.10.2015
Kinostart US: 05.02.2016
Heimkinostart DE: 26.02.2016
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