Wenn man an Filmemacher Michael Mann denkt, fallen einem gleich mehrere Thriller ein. Dazu gehören auf jeden Fall „Heat“, „Miami Vice“, „Collateral“ oder auch „The Insider“. Einer seiner größten Erfolge hat Mann aber mit einem seiner ersten Langfilme erreicht: Die Rede ist von „Thief“ („Der Einzelgänger“). Der 1981 erschienene Crime-Thriller hat damals den mittlerweile 73-jährigen Regisseur ins Rampenlicht rücken lassen, in den Folgejahren konnte Mann vier Oscar-Nominierungen registrieren. Auch auf das Genre an sich hat „Thief“ noch bis dato einen sichtbaren Einfluss. Erst kürzlich hat OFDb Filmworks eine Ultimate Edition (5 Discs) veröffentlicht, um dem Film die gebührende Ehre zu erweisen.
Stolen Dreams
Frank (James Caan) ist ein Ex-Knasti und arbeitet tagsüber als Gebrauchtwagenverkäufer in Chicago. Sein Abendwerk sieht dagegen ganz anders aus: Er ist Meisterdieb. Als solcher arbeitet er strikt nach eigenem Belieben und sucht sich seine Ziele – ausschließlich Bargeld und Juwelen – eigenständig aus. Sein Freund und Partner Barry (James Belushi) assistiert ihm dabei und übernimmt den technischen Part der Einbrüche. Durch einen Zufall kommt mit dem Gangsterboss Leo (Robert Prosky) in Bekanntschaft. Dieser schlägt ihm eine (lose) Kooperation an: Leo hat einen Auftrag, Frank nimmt das Ziel aus und Leo vertickt den Kram. Der Erlös für den Protagonisten beträgt dann zehn Prozent.
Aber Frank hat auch einen Traum, den er sich so schnell wie möglich erfüllen möchte. Ein bürgerliches Leben soll es sein – inklusive Frau, Kind, Haus und Hof. Zudem möchte das frühere Pflegekind seinen erkrankten Ziehvater und Mentor Okla (Willie Nelson) irgendwie aus dem Gefängnis bekommen, damit dieser nicht hinter Gittern das zeitliche segnet. Er begegnet sehr bald seiner Auserwählten, der Kellnerin Jessie (Tuesday Weld). Nach einiger Arbeit kann Frank die junge Frau von seinen Traum überzeugen. Und deshalb muss es jetzt schnell für den Juwelendieb gehen: Leo scheint die beste Alternative dafür zu sein, den Wunsch zur Wirklichkeit zu machen. Alles scheint im ersten Moment glatt zu laufen, einzig die (korrupte) Polizei macht ein paar Schwierigkeiten. Doch dann stellt sich der Deal mit Leo als folgenschwerer Fehler heraus.
Genug vom Plot gespoilert, ran an die Analyse! „Thief“ ist eines dieser verkannten Geniestreiche des Thriller-Genres und eine Blaupause für Michael Manns späteren Werke. Dieser hat sowohl Regie geführt, als auch das Drehbuch entwickelt sowie zusammen den Film mit den Caan-Brüdern produziert. Die Story entstand auf Basis des Romans Wer „Heat“ liebt, wird auch mit „Thief“ viel Freude haben. Dabei steht hier nicht die Beziehung zweier Männer (Pacino & De Niro) im Vordergrund, sondern mehr der Traum eines Menschen, der im jungen Alter viel Zeit verspielt hat. Da Träume selten zur Realität werden, entwickelt sich aus dem spannenden Drama zum Ende hin ein klassischer Vendetta-Thriller nach Mann’scher Art.
In der Einzelkritik kann „Thief“ vor allem durch das tolle Schauspiel überzeugen. Insbesondere Hauptdarsteller James Caan brilliert in diesem Film als sympathischer und nicht ganz fehlerfreier Macho-Charakter. Auch Widersacher Robert Proskys Wandel vom väterlichem Kumpel zum skrupellosen Monster ist fabelhaft, Tuesday Welds Rolle scheint auf sie zugeschnitten worden zu sein und Willie Nelson hat in den wenigen Szenen eine besondere Ausstrahlung, die man nur selten von gelegentlichen Schauspielern bekommt. Natürlich sind die Leistungen eng verbunden mit der Regieführung von Michael Mann, der wie so oft einen großartigen Mix aus Spannung, Suspense, Drama und Charakterspiel schafft. Im Zusammenspiel mit der Kameraarbeit wird „Thief“ zum Augenschmaus. Auch die Ohren kommen auf ihre Kosten: Der grandiose Synthie-Score von Tangerine Dream steht exemplarisch für die frühen 80er-Jahre und verleiht dem Film einen Flair, den viele Thriller (oft erfolglos) zu kopieren versuchen. Aber auch das ist ein Markenzeichen der Mann-Filme. „Thief“ ist ein brillantes Thriller-Drama, das zum 35. Geburtstag seine gebührende Anerkennung mit der Ultimate-Edition-Box bekommt. Für jeden Fan des Genres oder Filmfreund allgemein ein absolutes Pflichtprogramm.
Zur 5-Disc Ultimate Edition:
Am 11. März 2016 ist „Thief“ in einer Ultimate Edition mit fünf Discs erschienen. Die Box bietet neben der originalen Kinofassung auch den Director’s Cut auf Blu-Ray und DVD. Auf der fünften DVD ist zudem die Special Director’s Edition aus dem Jahr 1995 enthalten. Neben den verschiedenen Versionen des Films sind die Scheiben pickepackevoll mit sehenswerten Extras. Darunter befinden sich zwei Audiokommentare mit Michael Mann und James Caan bzw. Filmwissenschaftler Prof. Dr. Marcus Stiglegger. Die Kinofassung kommt zudem mit einer isolierten Tonspur mit der Musik und den Soundeffekten. Der Kinotrailer ist ebenso mit an Bord.
Zum Bonusmaterial gehören auch eine interessante Dokumentation über die Filmlegenede Michael Mann („The Directors: Michael Mann“), eine umfassende Analyse des Films von Schriftsteller und Kritiker F. X. Feeney („The Art of the Heist“) sowie ein neues Interview mit Hauptdarsteller James Caan („Stolen Dreams“) und eine Episode des französischen Magazins Ciné regards aus den frühen 80ern über selbigen. Etwas Handfestes bieten das Booklet mit einem Essay von Prof. Dr. Stiglegger und ein kleines Faltposter (ca. Din-A4-Format). Die Ultimate Edition mit seinen fünf Discs kommt in einem schönen Pappschuber mit einem reflektierenden Motiv von James Caan auf der Front und dem ultimativ coolen Filmzitat „I’M THE LAST GUY IN THE WORLD THAT YOU WANNE FUCK WITH.“. Die Box hat seinen Platz im gut situierten Filmregal mehr als verdient – in meinem gibt es einen besonderen Fleck.
Thief (1981)
Der Einzelgänger
Krimi, Thriller
Regie: Michael Mann
Buch: Michael Mann, Frank Hohimer (Buchvorlage)
Darsteller: James Caan, Tuesday Weld, Willie Nelson, James Belushi, Robert Prosky
Kinostart DE: 27.08.1981
Kinostart US: 27.03.1981
Heimkinostart DE: 11.03.2016 (5-Disc Ultimate Edition)
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