Auf der Runway des Londoner Flughafens Heathrow steht ein Flugzeug und macht sich für den langen Weg nach China bereit. In der ersten Klasse sitzt ein gediegener und offenbar gut gestellter Bänker, der sich von seinem neuen Sitznachbarn sichtlich irritiert zeigt. Neben ihm nimmt der leicht exzentrische aber bedingungslos sympathische Psychiater Hector Platz, der mit prall gefülltem Rucksack und kleinem Reisetagebuch augenscheinlich für ein großes Abenteuer bereit ist. Nach einer kurzen Unterhaltung stellt sich heraus, dass Hector weder für Vergnügen noch für Beruf unterwegs ist, sondern stattdessen Nachforschungen anstellen will. Seine Aufgabe scheint simpel genug, er möchte um die Welt reisen und herausfinden, was Menschen glücklich macht.
Nur wenige Tage zuvor verlief Hectors Leben wie ein zuverlässiges Uhrwerk, das zwischen seiner Freundin Clara und seinen Patienten pendelte. Doch trotz der hübschen und außerordentlich gefälligen Frau an seiner Seite, seinem geräumigen Apartment an der Themse und seiner erfolgreichen Arbeit als Kopfdoktor macht sich in ihm eine zunehmend große Leere und Unzufriedenheit breit und er stellt sich Fragen, mit denen wir alle bestens vertraut sind. Ist er glücklich mit dem was er hat und ist? Was bedeutet es überhaupt, glücklich zu sein? Kurzerhand entscheidet Hector sich für eine Weltreise, um diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Offiziell, so behauptet er, möchte er den Weg zum Glück erforschen, um seinen Patienten besser helfen zu können. Doch wie ihm ein Drogenbaron einige Wochen später in einer verranzten afrikanischen Kneipe vor Augen führen wird, geht es primär natürlich um Hectors eigenes Glück.
Viele Dichter, Denker, Songschreiber, Geschichtenerzähler und Filmemacher haben es sich zur Aufgabe gemacht, den menschlichen Zustand, der allgemein als „Glück“ definiert wird, greifbar zu machen. In „The Secret Life of Walter Mitty“, der diesem Film nicht ganz unähnlich ist, jagte zuletzt Ben Stiller als Tagträumer um den Globus und suchte nach den Regeln, die uns zu Zufriedenheit und gar Glück verhelfen. Erwartungsgemäß kann „Hector and the Search for Happiness“ nicht mit dem gemeingültigen Regelbuch aufwarten, das sein naiver und liebenswürdiger Protagonist sucht. Stattdessen folgt der Film Hector auf seiner Reise in die verschiedensten Ecken des Planeten und sammelt Lektionen und Weisheiten von reichen Bänkern, Drogendealern, Prostituierten und Freiheitskämpfern, die allesamt ihre eigenen Perspektiven auf die Jagd nach dem Glück offenbaren.
Anders als das leichtfüßige und im wahrsten Sinne des Wortes verträumte Pendant von Ben Stiller schreckt Peter Chelsom in seiner Variante nicht davor zurück, seinen Titelcharakter auch mit den nicht so schönen Seiten der menschlichen Kondition zu konfrontieren. Nach einer anfänglich heiteren Reise findet Hector sich nicht nur in akuter Lebensgefahr wieder, sondern muss auf seinem Weg auch längst vergessenen Herzschmerz aufbereiten. Als größter Trumpf des Films stellt sich wenig überraschend Simon Pegg heraus. Der britische Charismat, der bereits in „The World’s End“ als einzigartiger und schwer angeschlagener Gary King einen erfolgreichen Schritt von Comedy zu Drama gemacht hat, ist die einzig denkbare Besetzung für den altruistischen Psychiater, der mit der Neugier eines Kindes die Welt entdeckt. Seine Präsenz in „Hector and the Search for Happiness“ wird von einem ansteckenden Optimismus bestimmt, der stets gute Laune produziert. Egal ob er in seiner Londoner Praxis auf die banalen Probleme seiner Patienten abfeuert oder in afrikanischen Krankenhäusern verwaiste Kinder aufheitert.
Als der Protagonist schließlich an seiner leicht vorhersehbaren Endstation ankommt, nimmt man dem Film auch das leicht forcierte Happy End nicht übel. Schließlich bleibt dem Zuschauer in Form von Hectors liebevoll illustriertem und sorgfältig geführten Reisetagebuch eine Liste von Lebenslektionen und philosophischen Ansätzen, die man durchaus im Hinterkopf behalten darf. Ähnlich liebevoll und sorgfältig navigiert der Film durch die Höhen und Tiefen des Menschseins und inszeniert die Suche nach dem Glück als eine Achterbahn, die mal lustig und mal traurig aber stets aufregend ist. Wie das Leben selbst.
8/10
Hector and the Search for Happiness
Abenteuer, Drama, Komödie
Regie: Peter Chelsom
Buch: Peter Chelsom, Maria von Heland, Tinker Lindsay (Drehbuch), François Lelord (Vorlage)
Darsteller: Simon Pegg, Rosamund Pike, Jean Reno, Stellan Skarsgård, Toni Collette, Christopher Plummer
Kinostart DE: 14.08.2014
Kinostart US: 19.09.2014