Schaut man sich die bisherige Filmographie des Dänen Nicolas Winding Refn an, muss man sich schon fragen, was mit seinem Kopf nicht so recht stimmt. Seit 2008 führte er Regie bei teilweise sehr brutalen Arthouse-Filmen wie Bronson, Valhalla Rising und dem allseits beliebten Drive mit Ryan Gosling. Sein neustes Machwerk Only God Forgives hat wieder den kanadischen Schönling in der Hauptrolle. Der Film gilt als polarisierend, hat er doch dieses Jahr in Cannes eine Nominierung für die Goldene Palme eingeheimst und wurde auf dem selbigen Filmfestival vom Publikum ausgebuht – vor allem wegen seiner expliziten Gewaltspitzen.
Die Story von Only God Forgives ist schnell erzählt und im Grunde auch sekundär. Julian (Ryan Gosling) ist ein Drogendealer in Bangkok, der in der kriminellen Unterwelt respektiert wird. Nachdem sein Bruder (Tom Burke) aus einem Racheakt heraus brutal ermordet wird, soll Julian – nach Auftrag seiner Mutter (Kristin Scott Thomas) – den Verantwortlichen finden. Als er mit seinen Männern den Mörder stellt, erfährt er, dass der beinahe mystische Lieutenant Chang (Vithaya Pansringarm) ihn dazu bewegt hat. Julian weigert sich den Mörder oder Chang zu töten, deswegen beauftragt seine Mutter Dritte, um sich zu rächen. Mord, Rache und Sexualität spielen hier eine zentrale Rolle.
Wie gesagt, die Story ist wirklich nicht das Entscheidende an dem Film. Viel mehr glänzt er durch drei Aspekte: Bild/Schnitt, Ton/Musik und die Charaktere/das Schauspiel. Refn versteht es wie nur ganz wenige die Stimmung eines Filmes durch Farben, Bilder und Schnitte zu diktieren, dazu mit Tönen und Musik Emotionen zu kreieren und zusätzlich die Schauspieler zu ihren Charakteren transformieren zu lassen. Auch die Art und Weise Brutalität und krasse Gewaltspitzen ästhetisch zu verpacken und den Zuschauer nicht damit zu verschrecken ist eine besondere Eigenschaft von Refn und des Filmes. Only God Forgives ist zugleich verstörend und schön, brutal und ästhetisch. Die vereinzelt eingestreuten Traum- oder Vorahnungsszenen sind zudem wunderbar eingesetzt und bilden auch einen großen Unterschied zum eher linearen Drive.
Die Hauptcharaktere sind im Vergleich zu Drive viel detaillierter ausgeschmückt und durch das grandiose Schauspiel auch lebendig. Gosling spielt dabei wieder eine sehr stoische Person, die aber viel mehr Tiefe hat als noch in Drive (was in dort aber auch genailes Stilmittel war). Sein Widersacher Chang (und sein Katana), gespielt vom hierzulande unbekannten Thailänder Vithaya Pansringarm, hat eine derart böse/gruselige Ausstrahlung, dass ich selbst wirklich Angst vor ihm hatte.
Generell gibt es aus der Sicht eines Arthouse-Fans wenig zu meckern über Only God Forgives. Wenn man nun absolut storybesessen ist, kann einem der relativ triviale Plot etwas sauer aufstoßen. Auch wenn man explizite Gewaltszenen nicht verträgt, sollte man diesem Film fernbleiben. Ansonsten ist Only God Forgives bislang einer der stärksten Filme des Jahres und absolut empfehlenswert.
Ein lustiger Fakt ist, dass die FSK dem Film zunächst eine (durchaus verdiente) 18er-Wertung gegeben hat. Nach Protesteinlegung wurde der Film unverständlicherweise ab 16 Jahren freigegeben. Wem nun also Drive zu hart war in den Gewaltspitzen (Stichwort: Headsmash), sollte nun nicht denken, dass Only God Forgives weniger davon hat. Eher das Gegenteil ist der Fall, vorallem sind diese Szenen auch deutlich brutaler.