Indie-Darling Adam Driver taucht auf dem Filmfest München mehrfach auf. Seinen womöglich haarsträubendsten Auftritt gibt es in „Hungry Hearts“ vom italienischen Regisseur Saverio Costanzo zu sehen. Ein Ausnahmefilm der das Glück eines jungen Paares bis aufs Äußerste strapaziert.
Der Funken zwischen Jude (Adam Driver) und Mina (Alba Rohrwacher) entsteht auf kleinstem Raum und in einer Situation, die man ohne Bedenken als Albtraum beschreiben kann. Trotz der anfänglichen Gefangenschaft in einem kleinen, übelriechenden Raum, beginnen die zwei eine Partnerschaft. Der Raum, in dem sie ihr Zusammenleben gestalten ist nur marginal größer, obgleich der Funken in der Zwischenzeit zu einer Flamme herangewachsen ist. In einem kleinen Apartment in New York fristen sie ihr Dasein, Jude als Ingenieur und Mina ziellos, nachdem sie zu Gunsten der Beziehung ihre Karriere auf dem Abstellgleis geparkt hat. Schon während Mina mit dem ungeplanten Nachwuchs schwanger ist, offenbart sich der Druck, unter dem die Italienierin in ihrer neuen Heimat und ihrer Beziehung zu Jude steht. Nach der Geburt entlädt sich dieser Druck in einer extremen Paranoia und Mina lebt mit ihrem Sohn ein abgeschottetes Leben. Die psychische Last, die Mina von ihrer Elterngeneration vererbt wurde, gebärt schon bald Verhaltensweisen, die nicht nur ihrem Sohn, sondern auch ihrer Ehe erheblich schaden und auf eine unausweichliche Eskalation zusteuern.

Selten wurde die Millionenmetropole New York so zurückhaltend in Szene gesetzt, wie in Saverio Costanzos „Hungry Hearts“. Mit einem Knotenpunkt der westlichen Zivilisation vor der Tür beschränkt Costanzo sein Paar auf ein immer enger werdendes Apartment. Die Skyline der Stadt, die nur zum Anfang ein kurzes Gastspiel gibt, wird durch ein provisorisches Treibhaus ersetzt, in dem unzureichende Ernährung für den Sprössling angebaut wird. Die Kamera, die auf eine beinahe intime Art und Weise sehr nah bei den Akteuren bleibt, verlässt das enge New Yorker Apartment nur selten und erzeugt einen beklemmenden Schauplatz für die hochkochenden Emotionen von Jude und Mina.
Das drohende Unheil lässt nach der kurz gefassten Flitterwochen-Phase der jungen Verliebten nicht lange auf sich warten. Als Motor für den psychologischen Krieg um die Erziehung des Sohnes funktioniert Mina, eine traumatisierte junge Frau, deren Komplexe sich früh abzeichnen. Gespielt wird der Charakter, der stets sowohl Sympathie als auch Verachtung inspiriert, wundervoll von der Italienerin Alba Rohrwacher, die mit ihrem Kollegen Adam Driver sofort eine Chemie entwickelt. Stellenweise erinnert „Hungry Hearts“, der mit Hilfe einiger Zeitsprünge den Verfall einer romantischen Beziehung darstellt, an Derek Cianfrances „Blue Valentine“, eine der perfektesten Liebesgeschichten, die in den letzten Jahrzehnten auf Film festgehalten wurde. In dem unschönen Niedergang der Beziehung gleicht er Lars von Triers Krise „Antichrist“, ohne dabei komplett Nihilismus und Depression zu verfallen.

„Hungry Hearts“ ist ein aufwühlendes Psychogramm, das um die Bürde einer jungen, psychich gestörten Mutter kreist. Beklemmend gefilmt und brillant gespielt, reiht sich Saverio Costanzos Film in den qualitativ hochwertigen Teil des diesjährigen Programms des Münchner Filmfestivals ein.
8/10
Hungry Hearts (2014)
Drama, Psycho-Thriller, Kammerspiel
Regie: Saverio Costanzo
Buch: Saverio Costanzo, Marco Franzoso (Buchvorlage)
Darsteller: Alba Rohrwacher, Adam Driver, Roberta Maxwell, Al Roffe
Kinostart DE: –
Kinostart US: 05.06.2015
Heimkinostart DE: –
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