Nachdem Cliff Curtis bereits jede andere Nationalität der Welt verkörpert hat, besinnt er sich in „The Dark Horse“ auf seine Wurzeln. Der geborene Neuseeländer steigt in die realen Schuhe von Genesis Potini, einem bipolaren Schachgenie, das nach einer psychiatrischen Behandlung seinen Neueinstieg in die Gesellschaft sucht.
Wir lernen Genesis Potini (Cliff Curtis) als Engel kennen, der ungeachtet des Verkehrs auf einer Straße durch den Regen schwebt und sich des Lebens freut. Kurz darauf wird der Hüne jedoch von seinen Betreuern in Verwahrung genommen und unter großem Geschrei erneut in seine unfreiwillige Behausung transportiert. Eine unbestimmte Zeit später hat er die Freiheit wiedererrungen. Unter Aufsicht seines Bruders, der sich in einer der ungemütlicheren Bikergangs Neuseelands aufhält, versucht Genesis, wieder Teil der Gesellschaft zu werden. In einem Haushalt, der von Alkohol, Gewalt und bösen Worten geprägt wird, sucht er verzweifelt nach positiven Impulsen und findet diese schließlich bei den „Eastern Knights“, einer Schachgruppe für Kinder und Jugendliche. Vielleicht etwas übereifrig deklariert Genesis, die jungen Schach-Analphabeten in sechs Wochen für die Landesmeisterschaften in Auckland fit zu machen. Die Bande rund um den sanften, instabilen Riesen macht sich auf einen langen, steinigen Weg.
Sehr rührend war die Ansage des Regisseurs James Napier Robertson, der vor der Vorführung in Form einer Videobotschaft auf der Leinwand erschien. Der wahre Genesis sei ein guter Freund und ein wichtiger Einfluss für Regisseur und Produzent gewesen und man hoffe, dieser besonderen Persönlichkeit ein würdiges Denkmal gesetzt zu haben. Leider versinkt der Film trotz all dieser noblen Ziele und Gedanken in einer gar erschreckenden Formelhaftigkeit, die weder das Publikum, noch das verstorbene Vorbild des Protagonisten verdient haben.
Es ist nicht neu, dass Aspekte der menschlichen Kondition in Filmen rücksichtslos oder gar falsch dargestellt werden. Verbrechen wie „50 Shades of Grey“ scheren sich einen Dreck um die Authentizität ihrer Geschichte und um die Realitäten, die ihr zugrunde liegen. Ein Lowlight im Bereich der mentalen Krankheit stellte David O. Russells „Silver Linings Playbook“ dar, für den die Bürden und Symptome seiner Figuren kaum mehr als liebenswerte Macken sind. „The Dark Horse“ lässt sich die selben Fehler zu Schulden kommen. Genesis, dessen Verkörperung durch Cliff Curtis der größte Pluspunkt des Films ist, ist ein weiteres typisches Beispiel für einen psychisch erkrankten Mann, dessen Darstellung unverschämt simplifiziert daherkommt.
Andersfalls lässt „The Dark Horse“ gar keine bessere Charakterisierung des Protagonisten zu. Ab der Hälfte des Films, mit Beginn des Schachtrainings, degeneriert der Film zu einem Sportfilm, der all den üblichen Schritten folgt. Mehrfach musste ich während der Sichtung an die Struktur von „Dodgeball“ denken, was für einen Film mit dieser Absicht kein Kompliment sein kann. Es erübrigt sich beinahe, zu sagen, dass die Momente der erzwungenen Sentimentalität, die zum Ende des Films über den Zuschauer hereinbrechen, kein richtiges Gewicht haben und ob ihrer kompletten Vorhersehbarkeit als Rohrkrepierer enden.
James Napier Robertson reicht mit „The Dark Horse“ den wohl vorhersehbarsten, simpelsten und formelhaftesten Film des Filmfest München ein. Die Ziele, die das Filmteam sich offensichtlich gesetzt hat, wurden verfehlt und statt einem sensiblen Porträt eines komplizierten Charakters gibt es hier einen mit Kitsch überlaufenden Film, den man so bereits hundertfach gesehen hat.
3/10
The Dark Horse (2014)
Drama, sehr gewöhnlicher „Sport“film
Regie: James Napier Robertson
Buch: James Napier Robertson
Darsteller: Cliff Curtis, James Rolleston, Kirk Torrence, Miriama McDowell, James Napier Robertson
Kinostart DE: –
Kinostart US: –
Heimkinostart DE: –
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