Im lauen Küstenstädtchen Los Angeles sind kuriose Einladungen zu Dinnerparties nur mit extremer Vorsicht zu genießen. Insbesondere jene, die von der Ex-Frau stammen, nachdem diese in den letzten zwei Jahren vom Radar verschwunden ist. Noch schlimmer, wenn der Abend in dem Haus stattfinden soll, in dem sich eine furchtbare Tragödie ereignet hat. Die fremden Überraschungsgäste, die im Kreis der eingeschworenen Clique Platz nehmen, sind dann auch kein Problem mehr. Oder? In „The Invitation“ wird in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal (nach „The Overnight“) ein harmloses Paar durch ein Labyrinth aus ungewissen Situationen gejagt. Und obwohl die Grundideen der Filme sich ähneln, eröffnet mit „The Invitation“ ein völlig anderes Tier das erste SHIVERS-Festival.
Eigentlich hat der gebeutelte Will (Logan Marshall-Green) überhaupt keinen Bock auf diesen Abend. Verdenken kann man es ihm nicht, denn er muss den Tisch mit seiner Ex-Frau Eden (Tammy Blanchard) und deren neuer Flamme David (Michiel Huisman) teilen. Pointiert wird die freudlose Wiedervereinigung von einer gemeinsamen Tragödie im Leben von Will und Eden, der die beiden sich sehr unterschiedlich gestellt haben. Und stellen. Weder sein Date noch sein übriger Freundeskreis können etwas für Wills miese Stimmung tun. Bald fängt der Abend an, sehr seltsame Kurven zu nehmen. Ohne große Umschweife stehen eine arg instabile junge Frau und ein massiger älterer Herr im Zimmer und gesellen sich zu der geschlossenen Gesellschaft. Neben der Gesellschaft sind außerdem sämtliche Türen des Hauses verschlossen. Während die anderen Gäste sich dem Rausch des Alkohols und der Wonne der Gastfreundlichkeit hingeben, läuten bei Will sämtliche Alarmglocken.
Kleine Indie-Thriller mit limitierten Schauplätzen und mehr oder weniger unbekannten Gesichtern brachen in den letzten Jahren regelrecht über uns herein. Im Horror-Genre war es das selbe, nachdem die Studios darauf aufmerksam wurden, dass man hier die größte Gewinnspanne erzielen kann. Natürlich gelten überall die selben Regeln. Sie besagen, dass die Qualität eines Films nicht in erster Linie vom eingesetzten Kapital, der Leuchtstärke der Lampen,der Auflösung der Kamera oder sogar dem generierten Profit abhängt. Ein passendes Beispiel aus junger Vergangenheit ist „Coherence“, bei dem man mit lächerlichen Mitteln sogar einen philosophisch und psychologisch interessanten Science-Fiction-Film realisieren konnte.
„The Invitation“ verfolgt dabei ein ähnliches Ziel und gelangt dahin, sogar ohne sich physikalische Hirnbrecher zu Nutzen zu machen. Die Regisseurin Karyn Kusama („Jennifer’s Body“, „Aeon Flux“) versteht augenscheinlich etwas von der Materie, denn sie versteht es, den Spannungspegel ihrer Story oben zu halten, selbst nach der ersten, leicht vorhersehbaren, Offenbarung. Hängen tut alles an Logan Marshall-Green, der seinen ersten größeren Einsatz vor 10 Jahren in einer grausigen Rolle einer (noch viel grausigeren) „24“-Staffel feierte. In der Zwischenzeit hat er die Position eines weniger beängstigenden und mehr amerikanischen Tom Hardy angenommen. Und diese Assoziation kommt nicht bloß durch die starke Ähnlichkeit. Mal still, mal laut dominiert er das Geschehen auf der Leinwand und lässt den depressiven, trauernden Vater gerade oft genug aufblitzen, um beim Zuschauer ein subtiles Gefühl der Unsicherheit zu inspirieren.
Bis zur letzten Viertelstunde, deren Inhalt hier natürlich nicht verraten wird, balanciert Kusama auf dieser schmalen Linie und lässt sich nie komplett in die Karten gucken. Nebenbei investiert sie genug Mühe und Sorgfalt in ihre Charaktere und kann den Film so um die zentrale Thematik von Trauer und Bewältigung erweitern. Eine Leistung, die auf Genrefilm-Kiez eher selten ist.
7,5/10
Gesehen in Konstanz auf dem 1. SHIVERS-Festival
The Invitation (2015)
Thriller, Drama
Regie: Karyn Kusama
Buch: Matt Manfredi, Phil Hay
Darsteller: Logan Marshall-Green, John Carroll Lynch, Michiel Huisman, Tammy Blanchard, Emayatzy Corinealdi, Lindsay Burdge
Kinostart DE: –
Kinostart US: März 2016
Heimkinostart DE: –
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