Wer meine kürzlich veröffentlichte Besprechung zu „Godzilla“ (2014) gelesen hat, der weiß, dass ich vom Stück nicht übermäßig angetan war. Zu langatmig, flach und blutleer waren die langen Sequenzen ohne Monster-Klopperei und zu knapp gesät waren die für den Film so wichtigen Schauwerte.
Nach vielen schlaflosen Nächten voller innerer Unruhe habe ich nun beschlossen, auf einige der größten Fehler von „Godzilla“ näher einzugehen und ein paar einfache Lösungsvorschläge anzubieten, die den Film vom oberen Durchschnitt auf das „Gut“-Prädikat gehoben hätten. Die Leser, die es bislang noch nicht ins Kino geschafft oder den Cam-Rip ihres Vertrauens gefunden haben, sollten den Artikel allerdings mit Vorsicht genießen. Er ist voll von mittelschweren bis schweren Spoilern, die die wenigen Überraschungen des Films ruinieren. Im Klartext heißt das:
OMG SPOILERS!!
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Punkt 1: Die Wichtigkeit eines Protagonisten (oder Don’t kill Heisenberg!)
In der umfangreichen Marketing-Kampagne, die im Vorfeld des Kinostarts sämtliche Medien von Internet über Fernsehen bis zu CB-Funk penetrierte, wurde vor allem ein Bild in den Köpfen der potentiellen Zuschauer etabliert:
Wir alle freuten uns auf einen ultimativen Showdown, einen Faustkampf bis zum Tod zwischen „Breaking Bad“-Star Bryan Cranston und der Wolkenkratzer-Echse. Oder zumindest auf einen ausgedehnten Blockbuster-Auftritt von Heisenberg, der sich in den letzten fünf Jahren ins kollektive Herz der Serien-Fans spielte. Leider blieb uns dieser Auftritt verwehrt, denn noch bevor der erste Akt von „Godzilla“ über die Leinwand gerollt ist, sieht man die Leiche von Cranstons Joe Brody und den Anfang vom Massenmord an den Möglichkeiten des Films.
Andere Regisseure, namentlich Alfonso Cuarón („Gravity“, „Children of Men“), konnten den frühen Tod eines populären Schauspielers wirkungsvoll einsetzen und als Ass in der Dramaturgie ihres Films nutzen. In diesem Fall verursacht das frühe Ableben von Bryan Cranston allerdings ein großes Problem. Zwei Probleme, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass er dieses Mal keine Gruppe von gewalttätigen Neonazis mit ins Jenseits reißt.
Warum ist ein Protagonist essentiell?
Wer bereits mehr als drei Filme in seinem Leben gesehen hat, wird ein gewisses Muster bemerkt haben, das sich wiederholt. Es ist das selbe Muster, das sich seit Jahrtausenden in der narrativen Struktur behauptet hat und eine der Basis-Lektionen ist, die moderne Geschichtenerzähler lernen.
Eine Story, egal in welcher Form, benötigt in der Regel einen Protagonisten. Die wichtige Aufgabe dieser Hauptfigur ist es, eine emotionale Brücke zum Publikum zu schlagen und seine Zuschauer durch den Film zu begleiten. Die Absichten, Ziele und natürlich die Persönlichkeit der Hauptfigur bestimmen darüber, wie gut (oder schlecht) der Zuschauer sich in den Film „fühlen“ kann.
Der Protagonist der ersten 20 Minuten von „Godzilla“ ist Joe Brody, ein ehemaliger Angestellter eines japanischen Energiekonzerns. 15 Jahre nach einem katastrophalen Unfall, der unter Anderem den Tod seiner Frau mit sich brachte, ist Joe noch immer von Schuldgefühlen zerfressen und verbringt seine Zeit damit, Nachforschungen anzustellen. Es fällt uns leicht, Empathie für den verzweifelten, besessenen und trotzdem sympathischen Charakter aufzubringen. Bis er stirbt.
In die entstandene Lücke springt sein Sohn Ford „Kick-Ass“ Brody. Schauen wir uns kurz die wichtigen Merkmale seines Charakters an:
1) Er hat eine Familie.
Anders als sein Vater verfügt Ford über genau null Faktoren, die man zu so etwas wie einem emotionalen Kern zusammenbauen könnte. Hätte man Joe Brody als Protagonisten behalten, wäre es leicht gewesen, ihm im Kampf gegen die Monster ein Erfolgserlebnis zu geben und ihn schließlich von seinen Schuldgefühlen zu erlösen. Das ist genau das, was ich weiter oben mit dem Massenmord an Möglichkeiten ausdrücken will. Stattdessen mussten wir uns einen Film ansehen, der ausnahmslos von flachen, langweiligen und nichtssagenden Figuren bevölkert wird.
Aber Timo, in einem „Godzilla“-Film ist doch Godzilla die Hauptfigur!
Ah verdammt, schon fällt meine ganze Argumentation in sich zusammen. Natürlich geht es in „Godzilla“ eigentlich um die tituläre Riesenechse. Und ich muss tatsächlich zugeben, dass Godzilla selbst der einzige Charakter des Films ist, der für mich funktionierte.
Allerdings ändert das absolut nichts an der Problematik. Regisseur Gareth Edwards entscheidet sich für eine sehr gemächliche Herangehensweise, in der er den Star seines Films nur sehr spärlich und erst gegen Ende des Films einsetzt. In der Theorie mag es sehr reizvoll sein, die Erwartungshaltung seiner Zuschauer bis ins Unermessliche zu treiben, allerdings bietet der Film bis zur großen Konfrontation am Ende nichts, was die Zeit oder das Geld des Publikums wert ist.
Was hätte man stattdessen machen sollen?
Wie bereits geschrieben, wäre Joe Brody hier die Lösung gewesen. Sein Charakter befindet sich zum Anfang des Films an einem Tiefpunkt. Mit ein wenig unkomplizierter Schreibarbeit hätte man leicht einen Bogen schnitzen können, der seine Dämonen verbannt und ihn am Ende der Geschichte als Held sieht. Kurzum, die 20 Minuten Spektakel wären um eine tatsächliche Story ergänzt worden, die den Film wirklich lohnenswert macht.
Punkt 2: Austauschbare Charaktere und anderer Ballast (oder Frauen, die wie Amphibien aussehen)
Es macht durchaus Sinn, das animalische Motiv auch in der menschlichen Besetzung fortzuführen. Trotzdem war ich etwas irritiert davon, dass mich das Gesicht von Elizabeth Olsen durchgehend an das eines Frosches erinnerte.
Noch mehr irritierte mich allerdings, dass Olsens Elle Brody über die gesamte Laufzeit von gut zwei Stunden vor allem durch ihre Nutzlosigkeit auffällt. Dies bleibt natürlich nicht nur dem einzigen weiblichen Charakter des Films vorbehalten. Sämtliche Figuren und Handlungsstränge besitzen keinerlei Konsequenz für den Ausgang des Films.
Seinen Höhepunkt erreicht dieses Symptom mit dem Kontragonisten Ford Brody. In seiner allerersten Szene wird Ford als Kriegsheimkehrer etabliert. Später finden wir heraus, dass er ein unglaublich guter Bombentechniker ist und schon vorm Frühstück täglich mindestens vier Wasserstoff-Bomben entschärft. Später wird er auf Grund seiner essentiellen und offenbar einzigartigen Fähigkeiten dazu beordert, eine Bombe zu entschärfen, die im Hafen von San Francisco liegt. Sicherlich ein Kinderspiel für einen alteingesessenen Bomben-Veteran, mit Sicherheit gelingt es ihm, die drohende Gefahr zu bannen und nicht nur sich selbst, sondern auch die ganze Stadt zu retten!
Leider nicht.
Die Hauptfigur des Films scheitert an der EINZIGEN Aufgabe, die ihm aufgetragen wurde, ist daher gnadenlos unerheblich für den Ausgang des Films und wird zu purem Ballast degradiert. Von dieser Art Ballast ist der Film voll. Zusammen mit der Abwesenheit einer interessanten oder mitreißenden Charakter-Story reduziert dieser Makel „Godzilla“ noch mehr auf sein Finale.
Was hätte man stattdessen machen sollen?
Hier kommt ein heikler Denkansatz: Muss jeder Film möglichst lang sein? Der letzte „Captain America“ läuft 136 Minuten. Die „Avengers“ kratzen an den zweieinhalb Stunden. Sogar Filme ohne Handlung, wie „Fast Five“, dehnen sich inzwischen auf 130 Minuten aus.
Wie wäre es, zur Abwechslung einen Schritt in die andere Richtung zu gehen? „Godzilla“ könnte ohne schlechtes Gewissen auf mindestens 20 seiner 122 Minuten verzichten und wäre so mit Sicherheit ein flotteres und kohärenteres Spektakel.
Punkt 3: Dummheit (oder Lest eure Drehbücher gefällig Probe, bevor ihr dreht!)
Im letzten Sommer hat mich „Pacific Rim“ so dermaßen umgehauen, dass ich dafür gleich zwei Mal ins Kino gerannt bin. Natürlich ist Guillermo del Toros Monster-Mash kein „Citizen Kane“ und wird wahrscheinlich niemals auf Filmschulen als Lehrmittel benutzt werden (ein weiterer Grund, warum die Zukunft sich einfach nicht lohnt), trotzdem zähle ich ihn ohne einen Funken Scham zu meinen Lieblingsfilmen von 2013.
Was also könnte einen offensichtlichen „Pacific Rim“-Fanboy dazu treiben, den diesjährigen Monsterfilm durch die Macht des Blogs mit einem zweiten Darmausgang auszustatten? Bin ich etwa ein dreckiger Heuchler? Wo bleibt die journalistische Integrität?!
Nun, zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass „Pacific Rim“ und „Godzilla“ nicht in der selben Liga spielen und daher nur schwer zu vergleichen sind. „Pacific Rim“ ist ein Sci-Fi-Fantasy-Action-Spektakel, das in einer eigens kreierten Welt angesiedelt ist, die vom Regisseur Guillermo del Toro mit der gewohnten Sorgfalt und Liebe zum Detail zum Leben erweckt wird. Im Zentrum des Films stehen die Menschen, die vereint gegen die Bedrohung der Kaiju stehen.
„Godzilla“ ist ein klassischer Monsterfilm, der ganz klar in unserer modernen Welt spielt. Der Beweis hierfür wird direkt am Anfang gezeigt, als die Atombomben-Experimente der Amerikaner im Pazifik mit dem Godzilla-Mythos verwoben werden. Mittelpunkt ist hier (oder besser gesagt, sollte hier sein) die Herkunft und das Schicksal des Monsters selbst.
Der Knackpunkt ist, dass beide Filme in verschiedenen Welten spielen und demnach verschiedene Regeln befolgen müssen. Durch sein realistisches Setting muss „Godzilla“ einige Regeln befolgen, um seine Glaubwürdigkeit und entsprechend auch seine dramatische Wirkung aufrecht zu erhalten. Eine dieser Regeln bricht der Film am laufenden Band. Leider handelt es sich dabei um eine uralte, goldene und absolut unantastbare Regel. Sie lautet:
Kein dummer Scheiß!
Und hier kommen wir in den Bereich, der mich bei der Sichtung von „Godzilla“ komplett aus dem Finale geworfen hat und noch immer ein kleines Bisschen aufregt.
Am Ende des Films treffen sich drei gigantische und zerstörerische Monster in der Küstenstadt San Francisco. Mit dem Wissen, dass die Tierchen Strahlung absorbieren und sich davon ernähren, schmiedet das amerikanische Militär einen schier genialen Plan. Mit Hilfe einer nuklearen Bombe wollen sie die Kreaturen aus der Stadt und aufs Meer locken. Da eines der Monster über einen elektromagnetischen Puls verfügt und elektronische Geräte lahmlegen kann, hat man sogar an einen mechanischen Zeitzünder für die Bombe gedacht. Also kann man die brandgefährliche Bombe in Ruhe aufs Meer fliegen/schiffen, aktivieren und sich wieder aus dem Staub machen. Ziemlich cool, oder?
Leider war dieser Plan augenscheinlich zu clever, also ließ sich der Drehbuchautor Max Borenstein einen zusätzlichen Haken einfallen. Anstatt die Bombe auf der See zu zünden und möglichst viel Sinn zu machen, aktivieren die Helden des Militärs die Bombe IM HAFEN von San Francisco. Leider betritt 0,2 Sekunden nach Aktivierung des Timers das EMP-Monster die Bühne und deaktiviert das Schiff, auf dem die Bombe sich befindet. Daraus ergibt sich schließlich der Hauptkonflikt am Ende des Films, als es darum geht, die Bombe aus San Francisco zu schaffen. Zum Glück ist unser Held und Bombentechniker zur Stelle, der beim Entschärfen der Bombe fulminant scheitert und diesen Plotpunkt (genau wie sämtliche andere Plotpunkte und Figuren des Films) sowieso überflüssig macht.
Diese Art von grenzdebiler Plot-Konstruktion ist das, was die Dramaturgie des Films für mich vollends vernichtet hat. Ich weiß nicht, ob man bei der Ausarbeitung der Story wirklich geglaubt hat, dass die Monster-Action am Ende den Geruch dieser Frechheit überdecken kann, oder ob es den Verantwortlichen einfach scheißegal war. Im Endeffekt ist es auch egal, denn ich als Zuschauer fühle mich so oder so als für dumm verkauft.
Natürlich waren große Blockbuster nie etwas fürs Gehirn und werden es auch nie sein, aber dieser Schnitzer unterschreitet meiner Meinung nach die untere Linie der zulässigen Dummheit und zeigt deutlich, wie wenig hinter der ach so wichtigen Monster-Klopperei steckt. Wo ein „Pacific Rim“ neben seiner bombastischen Action (die sich außerdem über den ganzen Film erstreckt) vor allem mit seiner fantasiereichen und kreativen Welt auftrumpfen kann, bietet „Godzilla“ neben seiner technischen Exzellenz nur leere Hülsen und heiße Luft.
Was hätte man stattdessen machen sollen?
Die Filmemacher hätten das Drehbuch von einer Grundschul-Klasse oder einer Gruppe von Erwachsenen mit funktionierenden Köpfen durchlesen und ihre Bemerkungen in den Prozess einfließen lassen sollen.
Ich dachte schon, ich wäre dumm: die Bombe wird nicht entschärft, man sieht es kurz weiß aufleuchten und danach freuen sich alle über den ins Meer watenden „Goschilla“…über abertausend Tote in der zerstörten Stadt oder die Nuklearkatastrophe vor der Küste kümmert sich dann keiner mehr. Oder absorbiert Godzilla die Strahlung währrend er sich ein stilles Plätzchen im Meer sucht? Naja egal…ich war auch mehr als enttäuscht. Dass Cranston so früh stirbt, hatte natürlich auch seinen Anteil. Danach hab ich nur noch emotionslos die Städtezerstörung verfolgt und mich beim Gähnen erwischt.
Ja, das war schon ein sehr komischer Schnitzer. Und normalerweise lasse ich mich ziemlich leicht von der Filmmagie „verzaubern“ und merke sowas nicht, aber dieses Mal hat es mich leider komplett aus dem Film gerissen 🙁
Ich dachte schon, ich wäre dumm: die Bombe wird nicht entschärft, man sieht es kurz weiß aufleuchten und danach freuen sich alle über den ins Meer watenden “Goschilla”…über abertausend Tote in der zerstörten Stadt oder die Nuklearkatastrophe vor der Küste kümmert sich dann keiner mehr. Oder absorbiert Godzilla die Strahlung währrend er sich ein stilles Plätzchen im Meer sucht? Naja egal…ich war auch mehr als enttäuscht. Dass Cranston so früh stirbt, hatte natürlich auch seinen Anteil. Danach hab ich nur noch emotionslos die Städtezerstörung verfolgt und mich beim Gähnen erwischt.