Vor drei Jahren explodierte aus dem bis dato cineastisch eher unscheinbaren Indonesien eine gewaltige Action-Granate, die sich über Nacht zu einem der populärsten und beliebtesten Filme des Genres entwickelte. Der Exil-Waliser Gareth Evans schickte in „The Raid“ nach einer etwa 10-minütigen Exposition eine Spezialtruppe der indonesischen Polizei in ein von Drogen und Kriminellen infestiertes Hochhaus und schritt somit direkt zur Tat. Der für Actionfilme typische und sehr minimalistische Plot diente ausschließlich als Vehikel für Kampfszenen, die ihrerseits durch buchstäblich atemberaubende Choreografien, kreative Kameraarbeit und vor allem auch einen dynamischen und großartigen Schnitt überzeugen konnten und „The Raid“ zum Status eines Kultfilms erhoben.
Entsprechend groß war die Erwartungshaltung, als Evans Anfang 2014 den zweiten Teil ins Rennen schickte. In „The Raid 2“ steht erneut Rama (Iko Uwais) im Mittelpunkt, einer der wenigen Überlebenden des ersten Teils. Der Film setzt nur wenige Momente nach seiner erfolgreichen Flucht aus dem höllischen Block an und verschwendet erneut wenig Zeit. Kurzum, nach der Konfrontation des ersten Teils ist das Exkrement in Jakarta gehörig am Dampfen und Rama wird zum Schutz seiner Familie auf eine Undercover-Mission in der lokalen JVA geschickt. Seine Aufgabe: Sich dem Sohn eines großen Spielers der ansässigen Mafia annähern und die kriminelle Unterwelt infiltrieren.
Evans, der neben Regie unter Anderem auch für Schnitt und Drehbuch verantwortlich ist, geht in „The Raid 2“ einen ungewöhnlichen und sogar mutigen Weg. Anders als in westlichen Sequels, die ihre Formel größtenteils beibehalten und im Ernstfall nur die Namen der Charaktere etwas verändern, wird hier das Konzept des ersten Films auf den Kopf gestellt. Hier gibt es kein klaustrophobisches und bedrohliches Setting, sondern eine ganze Stadt, die dem Regisseur entsprechende Möglichkeiten eröffnet, darunter auch die Gelegenheit, eine handfeste und beinharte Verfolgungsjagd zu inszenieren. Ebenfalls fällt das Team von Polizisten weg, der Protagonist muss sich seinen Weg durch die Unterwelt für die gesamte Dauer des Films alleine freikämpfen.
Obwohl Evans seine Herangehensweise an die Handlung wechselt, behält er stets den Blick für das Wichtige, namentlich brutale, aufregende, kompromiss- und rücksichtslose Action. Spätestens bei einer Auseinandersetzung im Hof des Gefängnisses, in dem Rama einsitzt, wird klar, dass „The Raid 2“ genau so wenig Gefangene nimmt, wie sein Vorgänger. Oft wird Action in Filmen als atemberaubende Adrenalinspritze beworben, aber was Evans hier abliefert, verdient dieses Prädikat bereits in seiner ersten halben Stunde, während der Film noch im ersten Gang läuft. Die im Vergleich zum ersten Teil zahlreichen Schauplätze bringen eine sehr wohltuende Abwechslung und geben dem Film deutlich mehr Perspektive. Die Actionsequenzen, allen voran eine der womöglich aufregendsten Verfolgungsjagden der Kinogeschichte, sind erneut das Herz des Films und sind so perfekt inszeniert, dass sie auch ohne die nebenher trabende Handlung funktionieren.
Hier liegt leider auch das einzige größere Manko des Films. „The Raid 2“ läuft eine geschlagene Stunde länger als sein Vorgänger, ausgefüllt wird diese Zeit hauptsächlich mit dem Plot um das Machtspiel und das gegenseitige Bekämpfen der indonesischen und japanischen Verbrechersyndikate. Obwohl die Inszenierung, das Schauspiel und auch das Drehbuch in den zahlreichen Dialogszenen keine Schwächen aufweisen, rauben diese dem Film in meinen Augen den Status eines reinrassigen Actionfilms und schieben ihn in die Nachbarschaft eines Thrillers. Evans verwendet viel Zeit für die Ausarbeitung seiner Nebencharaktere, was in einem Film wie diesem reichlich unnötig ist, da besagte Nebencharaktere ausschließlich in Kampfsequenzen münden und kaum Konsequenzen für Handlung oder Ende des Films haben.
Für Actionfans ist „The Raid 2“ natürlich trotzdem ein absolut unverpassbares Meisterwerk. Genau wie sein Vorgänger bietet er ein schlichtweg perfekt inszeniertes visuelles Feuerwerk, das stellenweise sogar noch gröber und gewalttätiger über die Leinwand scheppert. Geschuldet ist dies erneut dem Choreografen und Hauptdarsteller Iko Uwais, der innovativen Arbeit der Kameramänner Matt Flannery und Dimas Imam Subhono, und natürlich der führenden und schneidenden Hand des Regisseurs Gareth Evans, der sich mit dieser Wiederholungstat endgültig in den momentan sehr spärlich besetzten Olymp der Action-Regisseure katapultiert.
8/10
The Raid 2: Berandal
Action, Thriller
Regie: Gareth Evans
Buch: Gareth Evans
Darsteller: Iko Uwais, Yayan Ruhian, Arifin Putra
Kinostart DE: 24.07.2014
Kinostart US: 11.04.2014