1 Einleitung
Die Filmindustrie befindet sich seit ihren Anfangsjahren in einem Prozess des ständigen Wandels, welcher aus gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, technischen und künstlerischen Entwicklungen resultiert. Aktuell ist die zunehmende Digitalisierung ein zentrales Thema. Durch den rasanten technischen Fortschritt haben sich die Produktionszyklen, die Archivierungs- sowie Bearbeitungsmöglichkeiten und natürlich auch die ästhetischen Aspekte geändert, da sich die überkommenen Prozesse an die neuen Produktions- und Distributionsmöglichkeiten anpassen müssen. Im Verlauf dieser Entwicklung ist eine Diskrepanz im Lager der Filmemacher entstanden. Auf der einen Seite versuchen Regisseure die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung wie beispielsweise computergestützte Spezialeffekte oder animierte Sequenzen für ihre Werke auszunutzen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch namhafte Skeptiker unter den Filmemachern, die der Ansicht sind, dass ein auf fotochemischem Material aufgenommener Spielfilm ästhetische Vorteile gegenüber der Digitalaufnahme bietet. Das liegt vor allem daran, dass bestimmte, auch überaus renommierte Regisseure, soviel Wert auf die neuen computergestützten Möglichkeiten legen, dass die Gestaltung von Handlung und Charakteren vermeintlich weniger Beachtung findet, also zugunsten der Effekte in den Hintergrund tritt.
Es gilt zu klären, wie die Zukunft des Films im Kontext der Digitalisierung aussieht. Dabei sind die technischen-wirtschaftlichen und die künstlerisch-ästhetischen Aspekte von analoger und digitaler Filmtechnik zu erörtern.
2 Definition der verschiedenen Aufnahmeformen
Um ein generelles Verständnis für die Komplexität des Themas zu generieren, müssen zunächst die grundlegenden Unterschiede der Aufnahmeformen aufgezeigt werden. Die analoge fotochemische Filmaufnahme bedient sich lichtempfindlicher Substanzen, sogenannter Silbersalze (vgl. MONACO 2000, S. 99 ff.). Dabei werden die Bereiche, auf die das meiste Licht fällt am dunkelsten abgebildet, sodass ein Negativbild beim Entwicklungsprozess entsteht. Dieses wird anschließend durch eine Kontaktkopie oder die Projektion auf ein anderes Film- oder Fotomaterial zu einem Positivbild umgewandelt. Das wesentliche Merkmal des fotochemischen Films ist die realitätsgetreuen Abbildung einer Szenerie (vgl. GIERKE 2001, S. 59). Jedoch muss die Beeinflussung des Bildes im Vorfeld der Aufnahme passieren, da Trickaufnahmen erst durch einen weiteren Fertigungsprozess mit dem Originalmaterial hergestellt werden können, was das analoge Drehen kostenintensiv macht, auch im Hinblick auf die Archivierung (vgl. MONACO 2000, S. 102 f.). Mit dem analogen Film sind jedoch auch viele künstlerische Aspekte untrennbar verbunden – zum Beispiel Format, Kontrast und Farbstimmung. Im Gegensatz dazu gibt es bei der Digitalproduktion keinerlei chemischen Prozesse, sondern lediglich mathematische Berechnungen (vgl. GIERKE 2001, S. 60 ff). Das digitale Bild wird via Computerprozess in einzelne Pixel aufgelöst, wobei jedem Pixel ein festliegender digitaler Wert zugeschrieben wird. Da die Darstellung dieser Bilder nur analog vonstatten gehen kann, sind nach der Konvertierung sowohl Auflösung als auch Farbtiefe wieder begrenzt. Somit geht die Ähnlichkeit zwischen dem abgebildeten Objekt und dem ursprünglich aufgenommenen Abbild (Datenbestand) zum Teil verloren, jedoch ermöglicht auch hier der technische Fortschritt immer höhere Bildqualitäten. Die signifikantesten Merkmale des digitalen Films sind jedoch die damit verbundenen Möglichkeiten der kostengünstigen Speicherung und des direkten Zugriffs, welche die Bilder ohne aufwendige Arbeitsschritte bearbeitbar machen.
3 Der Wandel der Filmindustrie durch die Digitalisierung
3.1 Veränderungen im Produktionsablauf
In den letzten Jahren hat sich die fortschreitende Digitalisierung der Spielfilmproduktion abgezeichnet (vgl. FÖSSEL 2009, S. 80 ff.). Dabei werden immer neuere Techniken eingesetzt, beispielsweise hochauflösende Digitalkameras, Blue- und Green-Screen-Aufnahmen sowie digitale Spezialeffekte. Des Weiteren wird vermehrt mittels des sogenannten HDR-Verfahrens mit unterschiedlichen Kamerablenden gedreht, um eine größere Beleuchtungsvariation in der Postproduktion zu gewährleisten, sowie Panorama- und 3D-Aufnahmen gemacht. Diese Methoden werden auch in Zukunft einen größeren Einfluss auf die Produktion von Filmen haben. Dadurch werden die Kosten der digitalen Mittel reduziert, jedoch ist damit auch die Beschäftigung speziell geschulter Arbeitskräfte für die technische Umsetzung verbunden.
3.2 Veränderungen in der Distribution
Der Wandel der Filmdistribution aufgrund der Digitalisierung zeigt sich schon anhand der Entwicklungen im Kinomarkt in den letzten Jahren. Hier zeichnen sich auch die eindeutigsten ökonomischen Vorteile ab, weil der digitale Vertrieb deutlich weniger Platz (und Transportkosten) verbraucht als traditionelle Filmrollen und damit signifikant preiswerter ist (vgl. FÖSSEL 2009, S. 83 ff.). So kommt es mittlerweile fast ausschließlich zum Einsatz eines neuen digitalen Distributionsformats, dem sogenannten Digital Cinema Package, welches entweder als Festplattenkopie oder per Festleitung bzw. Satellitentransfer vertrieben werden kann. Damit bietet sich auch die Möglichkeit des variablen Filmeinsatzes, was vor allem für Kinobetreiber von Vorteil ist (vgl. SOMMER 2009, S. 42 f.). Die Tendenz zur digitalen Distribution lässt sich beispielsweise mittels der deutlich gestiegenen Anzahl von digitalen Kinoleinwänden zwischen 2008 und 2011 darstellen (vgl. BENSI 2011, S. 8 f. ; siehe Abbildung 1).
3.3 Veränderungen der künstlerisch-ästhetischen Aspekte
Im künstlerisch-ästhetischen Bereich gilt es zwischen kleineren und größeren Produktionen zu unterscheiden (vgl. GIERKE 2001, S. 147 ff.). Gerade Film- und Dokumentationsproduktionen mit relativ geringem Budget profitieren von den technischen Errungenschaften der Branche, da durch die Digitalisierung vergleichsweise preisgünstig und spontan gedreht werden kann. Aufgrund der digitalen Distribution ist es zudem möglich, dass originelle, kreative Spiel- und Dokumentarfilme ihren Weg auf die Kinoleinwand finden und dabei trotz der geringen Kapitalmittel eine hohe Qualität aufweisen.
Auf der anderen Seite sind die ästhetischen Neuerungen bei aufwendigen Filmproduktionen nicht derart bahnbrechend wie im Low-Budget-Bereich, da aufgrund der Risikovermeidung für die Filmstudios ein großes Maß an Organisation im Vorfeld der Dreharbeiten von Nöten ist. Zwar ist die Anzahl der Spezialeffekte in Spielfilmen deutlich gestiegen, jedoch zeigt sich anhand der Historie, dass die anfängliche technische Revolution der Filme zu Ungunsten der Inhalte im Laufe der Zeit abklingt und wieder mehr Wert auf die Erzählkunst und Entwicklung interessanter Charaktere gelegt wird, was mit den Unterhaltungsansprüchen des Publikums zusammenhängt.
4 Fazit
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Einfluss der Digitalisierung auf die Zukunft des Films grundlegend positiv einzuschätzen ist. Dies betrifft vor allem den Distributionsbereich, da der digitale Vertrieb günstiger und flexibler ist als die klassische Form. Des Weiteren ist auf der Produktionsseite eine wachsende Bedeutung der Digitalisierung auszumachen, wobei die Technik weder Kunst noch Inhalt der Filme ersetzen kann, sondern als zusätzliches Mittel dienen kann (vgl. FÖSSEL 2009, S. 86).
Insgesamt gilt jedoch zu konstatieren, dass die Vorteile der technischen Neuerungen größtenteils wirtschaftlichen Ursprungs sind und eher eine geringere Wirkung auf die künstlerisch-ästhetischen Aspekte der Filmproduktion haben, weil Filmproduktionsstudios Wirtschaftsunternehmen sind, die nach Planungssicherheit und fester Budgetierung streben (vgl. GIERKE 2001, S. 149).
Die negative Seite der Digitalisierung ist die Tatsache, dass mittlerweile die wichtigsten Hersteller von Aufnahmegeräten wie ARRI, Panavision und Aaton die Produktion analoger Filmkameras aufgegeben haben und sich gänzlich der Fabrikation digitaler Kameras gewidmet haben, da weltweit beinahe keine analogen Geräten nachgefragt werden (vgl. KAUFMAN 2011, S. 10). Doch gibt es noch einige Regisseure, die hoch-budgetierte Spielfilme mit analogen Filmkameras drehen. So hat Christopher Nolan für den letzten Teil der Dark Knight Trilogy ausschließlich analoge Aufnahmegeräte verwendet (vgl. BOUCHER 2012), was eine Art Hoffnungsschimmer für die Verfechter und Liebhaber des analogen Films sein kann.
Literaturverzeichnis
BENSI 2011
Bensi, Paola: Europe : digital screens more than double in 2010 [online]. In: DiGiTalk : Ideas, Experiences and Figures on Digital Cinema from DigiTraining Plus 2011, (2011), S. 8-54 – URL: http://www.mediasalles.it/digitalk2011/ (Abruf: 2012-12-10)
BOUCHER 2012
Boucher, Geoff: ʻThe Dark Knight Risesʼ : Christopher Nolan takes Batman to new place. In: HeroComplex.LATimes.com (2012-07-05) – URL: http://herocomplex.latimes.com/2012/07/05/dark-knight-rises-christopher-nolan-takes-batman-to-new-place/ (Abruf: 2012-12-10)
FÖSSEL 2009
Fößel, Siegfried: Technisches Management des D-Cinema. In: Hülsmann, Michael (Hrsg.) ; Grapp, Jörn (Hsg.): Strategisches Management für Film- und Fernsehproduktionen : Herausforderungen, Optionen, Kompetenzen. München : Oldenbourg, 2009
GIERKE 2001
Gierke, Christian: Der digitale Film : Filmökonomie und Filmästhetik unter dem Einfluß digitaler Technik. Hamburg : Books on Demand, 2001
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Kaufman, Debra: Film Fading to Black. In: Creative COW Magazine : Creative Communities of the World Magazine, (2012), Nr. 4, S. 10-45 – URL: http://magazine.creativecow.net/pdf_download/27/print.pdf (Abruf: 2012-12-11)
MONACO 2000
Monaco, James: Film verstehen : Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Film und der neuen Medien. 10., überarb. und erw. Aufl. Reinbek : Rowohlt, 2000
SOMMER 2009
Sommer, Christian: Veränderungen in der Kinowertschöpfungskette durch das digitale Kino. In: Hülsmann, Michael (Hrsg.) ; Grapp, Jörn (Hsg.): Strategisches Management für Film- und Fernsehproduktionen : Herausforderungen, Optionen, Kompetenzen. München : Oldenxbourg, 2009